Fibonacci-Zahlen im Rahmen der technischen Analyse

Die technische Analyse bedient sich neben mathematischen Modellen und Trendanalysen weiterer Werkzeuge, um Prognosen über zukünftige Kursverläufe abzuleiten. Darunter die Anwendung der Fibonacci-Zahlen. Was genau damit gemeint ist, wie die Fibonacci-Zahlen sich in die Analyse gliedern lassen und vieles mehr, lesen Sie in diesem Artikel.

Inhaltsverzeichnis

Der Ursprung der Fibonacci-Zahlen

Die Fibonacci-Zahlenreihe war bereits den Griechen und Indern in der Antike bekannt, dennoch wird ihre Entdeckung dem Mathematiker Leonardo da Pisa zugeschrieben. Dieser lebte von 1170 bis 1240 und gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker des Mittelalters. In seinem Werk „Liber Abacci“ erläutert da Pisa, auch Fibonacci genannt, die Entdeckung der Zahlenreihe anhand der Entwicklung einer Kaninchenpopulation. Unter der Annahme, dass jedes neue Paar nach zwei Monaten ebenfalls ein neues Paar zur Welt bringt, entsteht folgende Zahlenreihe: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 usw. Ohne zu tief in die mathematischen Details einzusteigen, können einige Besonderheiten in dieser Zahlenreihe gefunden werden. Die Summe zweier benachbarter Zahlen ergibt jeweils die nächsthöhere Zahl. Demnach scheint das Wachstum in der Natur einem Additionsgesetz zu folgen. Die Blätter oder Fruchtstände vieler Pflanzen sind beispielsweise in Spiralen angeordnet, wobei die Anzahl dieser Spiralen den Fibonacci-Zahlen entsprechen. Im Tierreich, bei den Bienen ist die Anzahl aller Ahnen einer Drohne ebenfalls immer eine Fibonacci-Zahl. Zudem besteht ein enges Verhältnis zum „Goldenen Schnitt“. Je weiter man in der Fibonacci-Folge fortschreitet, desto mehr nähert sich der Quotient aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen dem Teilungsverhältnis des „Goldenen Schnitts“. Dabei sind die Quotienten abwechselnd kleiner und größer als das Teilungsverhältnis. Da die Fibonacci-Zahlen und der „Goldene Schnitt“ feste Größen in der Natur zu sein scheinen und somit auch auf das menschliche Verhalten projizierbar sind, wird versucht, sich diese auch im Rahmen der technischen Analyse zunutze zu machen.

Fibonacci anhand des Musters
Fibonacci-Proportionen in der Natur

Fibonacci-Zahlen und technische Analyse

Fibonacci-Ratios

Wird eine Zahl aus der Fibonacci-Reihe durch die voranstehende Zahl geteilt, so nähert man sich immer weiter dem Teilungsverhältnis des „Goldenen Schnitts“ an. Dieses Teilungsverhältnis liegt bei etwa 1,618, der Kehrwert dieser Zahl entspricht 0,618. Im Rahmen der technischen Analyse werden diese Zahlen als Prozentwerte ausgedrückt, also 161,8 % und 61,8 %. Sie bilden die ersten beiden Fibonacci-Ratios. Weitere Ratios erhält man, indem eine Zahl der Reihe durch die vorletzte und vor-vorletzte Fibonacci-Zahl geteilt wird. 

Zur Veranschaulichung:

Die Zahlenreihe: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144 …

144 / 89 = 1.618 und 89 / 144 = 0,618

144 / 55 = 2,618 und 55 / 144 = 0,382

144 / 34 = 4,236 und 34 / 144 = 0,236

Hinzu kommen noch die Werte 0,5 – 1,0 und 2,0 als psychologische Ratios, sodass sich die folgenden Werte für Fibonacci-Retracements und -Extensions ergeben:

Retracements: 23,6 % / 38,2 % / 50 % / 61,8 % / 100 %

Extensions: 161,8 % / 200 % / 261,8 % / 423,6 %

Diese Werte sind bei professionellen Börsenhändlern sehr beliebt und es gibt vielseitige Möglichkeiten für ihre Verwendung im Rahmen der charttechnischen Analyse. Nicht jeder der Ausprägungen kommt allgemein die gleiche Bedeutung zu, diese ist jedoch auch immer abhängig vom jeweils betrachteten Wert. Ob und bei welchem der Fibonacci-Level der Kurs einer Aktie zu einer Reaktion neigt, kann von Titel zu Titel stark differieren.

Retracements und Extensions

Die wohl am häufigsten verwendeten Tools im Zusammenhang mit den Fibonacci-Zahlen sind die so genannten Retracements und Extensions. Sie dienen dazu, um nach einer impulsiven Kursbewegung (in der Elliot-Wellen-Theorie auch als erste Welle bezeichnet) eine Aussage über mögliche Ziele der darauffolgenden Korrektur (zweite Welle) und des weiteren Kursverlaufs zu definieren. Sie können sowohl auf die Hochpunkte bei steigenden Wellen als auch auf die Tiefpunkte von negativen Impulsen angewendet werden. Retracement und Extension unterscheiden sich durch die Höhe ihrer Zielmarken und auch in ihrer Verwendung. Korrekturen im Anschluss an eine impulsive Bewegung werden mit dem Fibonacci-Retracement gemessen. Wenn davon ausgegangen wird, dass sich der Trend nach der korrektiven Bewegung in Richtung des Anfangsimpulses fortsetzt, können Fibonacci-Extensions verwendet werden, um mögliche Kursziele über dem vorherigen Hoch zu definieren. Für viele Marktteilnehmer spielen Extensions im Vergleich zu den Retracements eine untergeordnete Rolle, sie können jedoch eine nützliche Ergänzung darstellen. 

Ein Beispiel zur Veranschaulichung am Chart:

Fibonacci-Retracement
Fibonacci-Retracement

Der erste Punkt des Retracements wird im Tief, der zweite im Hoch eingezeichnet. Der Chart zeigt eine Reaktion während der Korrektur etwa auf der Höhe des 23,61 %-Retracements (gekennzeichnet durch die Pfeile), bevor der Verlauf sich in die ursprüngliche Trendrichtung fortsetzt. Auf kleineren Zeitebenen innerhalb des ersten Impulses könnte das Tool ebenfalls angewendet werden, es ist jedoch sinnvoll, die Verwendung dem Anlagehorizont anzupassen und nur bei kurzfristigen Trades in kleinere Zeitebenen zu wechseln.

Fibonacci-Extension
Fibonacci-Extension

Beim Einzeichnen der Fibonacci-Extensions beginnt man, wie auch bei den Retracements mit dem Tief- und Hochpunkt. Zusätzlich wird jedoch ein dritter Punkt auf Höhe des Tiefpunktes gesetzt. Im Bild ist zu erkennen, dass der Kurs zuerst an der 161,8 %-Extension einen Widerstand findet, der nach dem Durchbruch nach oben zur Unterstützung wird. Auf Höhe des 423,61 %-Retracements ist ebenfalls noch eine Reaktion erkennbar, diese fällt jedoch nicht mehr so deutlich aus. Die Extension dient in diesem Fall als guter Indikator für mögliche langfristige Kursziele. 

Abwandlungen der Fibonacci-Trading-Tools

Neben den sehr gebräuchlichen Retracements gibt es viele weitere Abwandlungen von Fibonacci-Tools, die basierend auf den Ratios das Einzeichnen von Unterstützungen und Widerständen ermöglichen sollen. Dazu zählen beispielsweise Fibonacci-Fächer, -Kanäle, -Kreise oder auch Fibonacci-Zeitzonen.

Für die Nutzung eines Fächers wird mit dem Einzeichnen der Retracements (23.6/38,2/61,8/100) und einer Senkrechten, die durch den Hochpunkt der ersten Welle verläuft, begonnen. Der Fächer entsteht dann dadurch, dass jeweils eine Gerade vom Startpunkt der Welle durch die Schnittpunkte der Senkrechten mit den einzelnen Fibonacci-Leveln gezogen wird:

Fibonacci-Fächer
Fibonacci-Fächer

Ein ähnliches Vorgehen wird bei der Verwendung eines Fibonacci-Kreises oder -Bogens befolgt. Die Länge der ersten Welle (gelber Pfeil) wird mit dem entsprechenden Tool eingezeichnet:

Fibonacci-Welle
Fibonacci-Welle

Bögen und Kreise bringen neben den möglichen Kurszielen auch den Faktor Zeit in die Betrachtung ein. Gleiches gilt für die Fibonacci-Zeitzonen, bei denen das Retracement in der horizontalen statt in der vertikalen Richtung eingezeichnet wird.

Fibonacci-Zahlen und Elliot-Wellen

Die Wellentheorie von Elliott basiert auf der Annahme, dass die kollektiven Gefühle der Investoren zwischen Optimismus und Pessimismus schwanken und dass durch diese Schwankungen immer wiederkehrende Muster entstehen. Eine ausführliche Erläuterung der Elliot-Wellen-Theorie würde an dieser Stelle zu weit führen, im Kern beruht jedoch auch dieses Mittel der charttechnischen Analyse auf der Zahlenfolge von Fibonacci.

Fazit: Keine Allzweckwaffe

Dieser Blockartikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll dem interessierten Leser lediglich einen Einblick in die Welt der technischen Chartanalyse bieten. Die Art und Weise, in der die verschiedenen Tools benutzt werden, kann zwischen unterschiedlichen Chart-Plattformen variieren. Zur Vertiefung sollte auf entsprechende Fachliteratur zurückgegriffen werden. Die Fibonacci-Zahlen und die aus der Zahlenreihe entstandenen Trading-Tools sind keine Allzweckwaffe und wie bei jedem Tool oder Indikator gibt es Phasen, in denen sich diese gut zur Analyse eignen, und Phasen, in denen es besser sein kann auf andere Alternativen zurückzugreifen. Da jedoch eine große Anzahl der Marktteilnehmer mit diesen Tools arbeitet, steigen durch ihre Verwendung die Chancen vielversprechende Einstiege für Long- sowie Shortpositionen zu finden. Besonders nach einer ersten impulsiven Bewegung können die Fibonacci-Tools helfen, das Ende der anschließenden Korrektur zu antizipieren. Um die Chancen auf ein erfolgreiches Handeln weiter zu erhöhen, ist es immer sinnvoll, zusätzliche Indikatoren und fundamentale Analysen in die Investitionsentscheidungen einfließen zu lassen.

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Kai Heinrich

Kai Heinrich

Kai Heinrich ist seit 2012 im Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG und verantwortet schwerpunktmäßig die Bereiche Unternehmenssteuerung, Bestandskundenbetreuung, Fondsmanagement und Organisation. Zusätzlich ist er Fondsmanager des Kana NEB Funds und agiert neben Thomas Käsdorf als Co-Fondsmanager des offensiven Mischfonds Plutos Multi Chance.

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