Unzählige Linien und Flächen auf dem Preischart und komplexe Berechnungsverfahren zur Modellierung bestimmter Szenarien: Für viele Anleger wirkt die technische Analyse wie Kunstzauberei als eine fundierte Untersuchung von Aktien. In diesem Artikel möchten wir die bekanntesten Verfahren und Methoden der technischen Analyse betrachten und die Ideen dahinter ergründen.
Technische Analyse: Definition und Abgrenzung zur Fundamentalanalyse
Die technische Analyse versucht zukünftige Aktienpreise anhand des Kurscharts und -volumens zu prognostizieren. Aus diesem Grund wird sie häufig als Chartanalyse bezeichnet. Verfechter der technischen Analyse nehmen an, dass jegliche Informationen bereits im Preis widergespiegelt werden. Demnach seien Analysen von Unternehmensberichten und volkswirtschaftlichen Daten nicht nötig, da diese Daten eingepreist sind. Gleichermaßen gilt die Annahme, dass psychologische und politische Faktoren im Kurschart reflektiert werden. Technische Analysten verwenden oft mathematische Berechnungen, um mit den Preisdaten Modelle zur Prognose des Aktienkurses zu bauen. Solche Berechnungen werden im Fachjargon „Indikatoren“ genannt und ebenfalls in diesem Artikel behandelt.
Kurz um: Alles, was den Kurs beeinflusst und in Zukunft beeinflussen könnte, ist bereits eingepreist. Technische Analysten betrachten also ausschließlich Kurs- und Volumendaten.
Im Gegensatz zur technischen Analyse, versucht die Fundamentalanalyse mittels betriebswirtschaftlicher Kennzahlen den fairen Wert einer Aktie zu bestimmen. Investoren, welche die Fundamentalanalyse zur Aktienbewertung heranziehen, schauen in die Quartals- und Jahresberichte der entsprechenden Unternehmen. Anschließend versuchen sie daraus abzuleiten, wie viel das Unternehmen anhand seiner Geschäftstätigkeiten wert ist und wie sich der Wert der Aktie entwickeln könnte. Zur Beurteilung von Aktien existieren unzählige Kennzahlen. Solche Kennzahlen eignen sich, um verschiedene Aktien miteinander zu vergleichen. Die beliebteste Kennzahl ist das KGV, welches den Gewinn pro Aktie ins Verhältnis zum Preis setzt – daher KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis).
Weitere konkrete Investmentansätze besprechen wir in unserem Artikel zum Thema Aktien.
Grundlagen der technischen Analyse: Beliebte Charts
Linienchart
Sie kennen sicherlich den klassischen Linienchart. Dabei wird immer der Schlusskurs eines jeden Tages festgehalten. Anschließend werden alle Schlusskurse mit einer Linie verbunden.
Es ist leicht zu erklären, wieso sich der Linienchart etabliert hat: Er ist einfach zu lesen und gibt Anlegern einen schnellen Überblick über das wesentliche Marktgeschehen. Aufgrund der Tatsache, dass Intraday-Bewegungen in der Regel nicht ausschlaggebend für viele Anleger sind, eignet sich der Linienchart besonders. Unter Intraday ist die Kursbewegung innerhalb eines Tages gemeint. An manchen Handelstagen kommt es vor, dass die Höchst- und Tiefstkurse des Tages signifikant über oder unter den Schlusskurs reichen. Allerdings ist die saubere technische Analyse in vielen Fällen nicht möglich, weswegen Analysten häufig auf den Kerzenchart ausweichen, sobald es an die intensive Untersuchung geht.
Kerzenchart
Der wohl beliebteste Chart unter Analysten, Tradern und Fondsmanagern ist der Kerzenchart. Der Kerzenchart liefert deutlich mehr Informationen als der Linienchart und ist daher besser für die technische Analyse geeignet.
Ist eine Kerze grün, so stellt das untere Ende des Balkens den Eröffnungskurs dar. Das obere Ende des Balkens stellt dementsprechend den Schlusskurs dar, welcher beim Linienchart alleinig betrachtet wurde. Der Schlusskurs liegt also über dem Eröffnungskurs des Tages, was bedeutet, dass der Kurs an dem Tag gestiegen ist. Intuitiv ersichtlich an der grünen Färbung.
Bei einer roten Kerze sind Eröffnungs- und Schlusskurs entsprechend komplementär zur grünen Kerze.
Der untere Docht einer Kerze stellt in jedem Fall den Tiefstkurs des Tages dar, wohingegen der obere Docht bis zum Tageshöchstkurs reicht. Auf diese Art und Weise liefert der Kerzenchart auf einen Blick viele wertvolle Informationen zur technischen Analyse. Sie werden im weiteren Verlauf des Artikels merken, dass wir bei der Betrachtung von Chartmustern und Indikatoren ebenfalls Kerzencharts verwenden.
Balkenchart
So hilfreich die Bündelung verschiedener Informationen mittels Kerzencharts sein mag, stießen Börsenhändler und technische Analysten auf ein triviales Problem. Gerade vor einigen Jahrzehnten, war die Darstellung von Aktienkursen mittels moderner Monitore nicht so verbreitet wie heute. Viele Tafeln zeigten lediglich schwarz-weiß Darstellungen. Nehmen Sie die Charttafel auf dem Parkett der Frankfurter Börse als Beispiel, welche ebenfalls keine Farbdarstellung liefert.
Dieses Problem lösen Balkencharts, welche anatomisch den Kerzencharts gleichen. Die Dochte erfüllen dieselbe Funktion. Statt eines Kerzenkörpers gibt es allerdings einen horizontalen Strich auf der linken und rechten Seite. Der Strich auf der linken Seite stellt immer den Eröffnungskurs dar, während der Strich auf der rechten Seite den Schlusskurs repräsentiert.
Heutzutage findet der Balkenchart aus denselben Gründen bevorzugt Anwendung, wie die Kerzencharts. Es ist häufig eine Frage der Präferenz des jeweiligen technischen Analysten.
Technische Analyse mittels Chartmuster
Die Charts sind das Fundament, auf dem die technische Analyse aufbaut. Im Folgenden werden wir mittels Kerzencharts die beliebtesten Chartmuster, häufig auch Chartformationen genannt, betrachten.
Eine Chartformation ist eine visuell wiederkehrende Konstellation an Kursverläufen. Diese Konstellation kann einfacher Natur sein oder mitunter sehr komplex. Entscheidend ist, dass ein Chartmuster durch klare Regeln reproduzierbar ist und so Prognosen ermöglicht.
Unterstützung und Widerstand
Als Unterstützungs- oder Widerstandsmarke werden Preisschwellen bezeichnet, auf die der Markt besonders sensibel reagiert. Eine Unterstützungsmarke ist eine Preisschwelle, an welcher der Markt einen Boden findet. Konkret wird an einer solchen Preisschwelle ein fallender Kurs wieder aufgefangen. Bei einem Widerstand liegt genau das Gegenteil vor. Eine Aufwärtsbewegung trifft hier auf eine Barriere.
Bei solchen Preisschwellen handelt es sich meist um psychologische Phänomene. Supermärkte beispielsweise versuchen die Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden vollständig abzuschöpfen und setzen ihren Preis daher marginal unter eine markante Preisschwelle. Im Supermarkt ist dies oft der nächste Euro oder der Sprung von einem einstelligen zum zweistelligen Betrag. Sie finden daher häufiger 9,99€ als 10€. Investoren ticken ebenso wie Konsumenten. Die technische Analyse macht sich dies zunutze.
Zwei Beobachtungen sind besonders interessant: Zum einen handelt es sich nicht um eine konkrete Marke, sondern in den meisten Fällen um eine Zone. In der technischen Analyse werden daher seltener Linien als Zonen verwendet. Zum anderen kann eine zuvor als Widerstand fungierende Marke als Unterstützung dienen, sollte die Schwelle einmal durchbrochen werden. Umgekehrt funktioniert dies natürlich genauso.
Trendlinien
In einem Aufwärtstrend ist eine Trendlinie eine diagonale Unterstützung. In einem Abwärtstrend hingegen ein diagonaler Widerstand. In der Abbildung sehen Sie ein Beispiel eines Aufwärtstrends.
Es fällt auf, dass der Kurs nach Durchbruch in eine Konsolidierung gerät. Ein extremerer Fall wäre eine direkte Mündung in einem Abwärtstrend.
Kanal
Bewegt sich ein Kurs horizontal zwischen einer Unterstützung und einem Widerstand, sprechen technische Analysten von einem Kanal. Bricht der Kurs aus der Konsolidierung aus, beginnt der Markt einen Trend in Richtung der Ausbruchsrichtung, so die Annahme.
Interessant ist, dass der Preis an der ehemaligen Unterstützung Widerstand erfährt. Dieses Phänomen wird des häufigeren bei Ausbrüchen aus einem Kanal beobachtet. In der technischen Analyse wird hier von einem „Retest“ oder „Rebound“ gesprochen.
Wimpel
Zuletzt möchten wir Ihnen die Chartformation eines Wimpels vorstellen. Technische Analysten sprechen von einem Wimpel, wenn sich die Hochs und Tiefs der Preisbewegung annähern.
Die Annahme in der technischen Analyse ist, dass der Preis den Trend in die Ausbruchsrichtung fortsetzt.
Dies waren nur einige der unzähligen Chartformationen in der technischen Analyse. Sie haben sicherlich festgestellt, dass selbst komplexere Formationen auf der Idee von Unterstützung und Widerstand aufbauen. Chartformationen bieten viele Vorteile. Ein Vorteil ist die Flexibilität. Technische Analysten können an einem Chart diverse verschiedene Formationen ablesen und Handelsideen ableiten. Darin besteht allerdings häufig die Kritik. Es kommt oft vor, dass sich zwei Formationen widersprechen, sodass die Analyse in eine Sackgasse läuft.
Technische Analyse mittels Indikatoren
Neben den Chartformationen bedient sich die technische Analyse oft mathematischen Lösungsansätzen. Technische Analysten können mittels solcher Indikatoren die Marktaktivität filtern. Ein Indikator beruht stets auf Berechnungen, die ursprüngliche Preisdaten manipulieren und Informationen selektieren.
Es lässt sich grundsätzlich zwischen Trendfolgeindikatoren und Oszillatoren unterscheiden. Trendfolgeindikatoren eignen sich besonders in nachhaltigen Auf- oder Abwärtsphasen. Oszillatoren liefern in Konsolidierungen beste Ergebnisse.
Gleitender Durchschnitt
Ein Beispiel für einen Trendfolgeindikator ist der gleitende Durchschnitt. Der gleitende Durchschnitt ist der wohl verbreitetste Indikator. Ein 200-Perioden gleitender Durchschnitt beispielsweise gibt den Durchschnittskurs auf Basis der letzten 200 Perioden (zum Beispiel Tage) wieder.
Es fällt auf: Der gleitende Durchschnitt kann ebenfalls als Unterstützung oder Widerstand dienen. Bei Durchbruch ist eine Trendfortsetzung wahrscheinlich. Allgemein geht die technische Analyse davon aus, dass Preise oberhalb eines gleitenden Durchschnitts für einen Aufwärtstrend stehen. Bei Preisen unterhalb des gleitenden Durchschnitts gilt, der technischen Analyse nach, ein Abwärtstrend.
Stochastik Oszillator
Ein unter Tradern beliebter Indikator für die technische Analyse ist der Stochastik Oszillator. Wir möchten in diesem Artikel nicht zu sehr auf die mathematischen Hintergründe der Indikatoren eingehen. Ziel ist es, Ihnen aufzuzeigen, dass es nicht den perfekten Indikator für die technische Analyse jeder Marktphase gibt. Der Stochastik Oszillator ist hervorragend für Konsolidierungen geeignet. In Trendphasen sind die Ergebnisse weniger befriedigend.
Der orangene Bereich bietet einen optimalen Nährboden für hochwertige Ergebnisse mittels technischer Analyse durch den Stochastik Oszillator. Der blaue Bereich hingegen zeigt einen intakten Abwärtstrend. Es fällt auf, dass der Stochastik Oszillator hier weniger geeignet ist. Vor allem die Kaufsignale würden regelmäßig Verluste einfahren.
Kritik an der technischen Analyse
Die technische Analyse wird häufig kritisiert. Vor allem die Annahme, dass die technische Analyse anhand vergangener Preisdaten die Zukunft prognostizieren könne. Eine Hypothese behauptet, dass kein Analyseverfahren zu einem Vorteil bei der Selektion von Aktien führe – die sogenannte Markteffizienzhypothese. Des Weiteren wird die technische Analyse oft mit der Random Walk Theorie kritisiert, welche wir gleich ebenfalls beleuchten werden.
Markteffizienzhypothese
Es lässt sich zwischen verschiedenen Abstufungen der Markteffizienz unterscheiden. Schon die schwache Form der Markteffizienzhypothese widerspricht den Annahmen der technischen Analyse.
Schwache Markteffizienz: Die schwache Markteffizienz nimmt an, dass alle historischen Preise einer Aktie bereits eingepreist sind, wodurch eine Prognose zukünftiger Kurse anhand vergangener Kurse nicht möglich ist. In dieser schwachen Form wäre die technische Analyse also nutzlos.
Mittelstrenge Markteffizienz: Hier wird angenommen, dass alle öffentlich zugänglichen Informationen bereits im Aktienkurs eingepreist sind. Demnach wäre nicht nur die technische Analyse, sondern auch die Fundamentalanalyse nutzlos. Insiderhandel durch Zugang zu privaten Informationen ist in dieser Form der Markteffizienz die einzige Möglichkeit auf eine Überrendite. Mit Insiderhandel ist gemeint, dass ein Investor durch Informationen, welche der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stehen, einen Vorteil erlangt.
Strenge Markteffizienz: Bei der strengen Markteffizienz wird davon ausgegangen, dass alle relevanten Informationen – öffentlich und privat – im Marktpreis enthalten sind. Unter dieser Annahme wäre selbst Insiderhandel nutzlos.
Random Walk Theorie
Stellen Sie sich vor, Sie werfen eine Münze beispielsweise 200-mal. Bei Kopf geht der Kurs eine Einheit runter, bei Zahl steigt der Kurs um eine Einheit. Dieses Experiment lässt sich anhand einer Simulation darstellen.
Jeder Verlauf stellt ein mögliches Szenario dar. Moderne Computer können Millionen solcher Verläufe in Sekunden simulieren. Wenn Sie nicht besser wüssten, dass es sich hierbei um eine Random Walk Simulation handelt, würden Sie den Unterschied zum Verlauf eines Aktienkurses erkennen?
Schließlich ließe sich die technische Analyse ebenso auf die Verläufe der Random Walk Simulation anwenden. Einige Verläufe verlaufen in stärkeren Trends, einige konsolidieren.
Verfechter der Markteffizienztheorie und Random Walk Theorie neigen dazu ihre Investitionen passiv zu verwalten statt eine Outperformance anzustreben. Dies lässt sich über ETFs bewerkstelligen. Zum Thema ETFs haben wir bereits einen eigenen Artikel veröffentlicht.
Fazit: Die technische Analyse ist essenziell aber kein Wundermittel
Die technische Analyse ist ebenso vielfältig wie komplex. Es ist wichtig zu verstehen, dass es keinen heiligen Gral beim Investieren gibt. Keine Analysemethode, kein Chartmuster und kein Indikator fahren mühelos Profite ein. Eine valide technische Analyse berücksichtigt stets die Marktgegebenheiten. Ein Händler sollte bei einem intakten Trend andere Indikatoren verwenden als in einer Konsolidierung. Schließlich gilt, dass ein robustes Risikomanagement unerlässlich ist. Selbst die durchdachtesten Strategien geraten von Zeit zu Zeit in eine Verlustphase. Es erfordert allerdings auch bedeutend Erfahrung, um die technische Analyse im Marktkontext einzuordnen. Die technische Analyse ist essenziell, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Ein Wundermittel ist sie aber keineswegs.
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