Türkei-Krise beschert unbequemen Börsensommer

Die türkische Lira ist im freien Fall, fast 14% verlor sie vergangenen Freitag, die Renditen türkischer Staatsanleihen schnellten auf ein Rekordhoch. Aus dem lokalen Problem könnte nun ein europäisches werden. Die Krise droht über den Bankensektor nach Europa zu schwappen und könnte auch an den deutschen Aktienmärkten in den Sommermonaten zu Kursverlusten führen.

Inhaltsverzeichnis

Nach der Finanzkrise hatte sich die Türkei zum Wirtschaftswunder gemausert. Während die europäischen Staaten noch ihre Wunden leckten, glänzte der Balkanstaat mit jährlichen Wachstumszahlen von bis zu 11 Prozent. Das lockte Investoren aus aller Welt auf den Plan, die den kreditgetriebenen Boom nur zu gern unterstützten. Die daraus entstandene Auslandsverschuldung könnte dem Land nun das Genick brechen – was als Erfolgsstory begann, verkehrt sich jetzt ins Gegenteil.
Kapitalgeber beunruhigte schon seit längerem das große Handelsbilanzdefizit und die anhaltend hohe Inflation. Peu à peu wurden Kredite verteuert und Investitionen gestrichen. Dass sich die Wachstumszahlen aus der Vergangenheit so nicht fortsetzen können, liegt auf der Hand. Besonders die wachsende Einflussnahme Erdogans, dem Zinserhöhungen ein Dorn im Auge sind, auf die türkische Zentralbank haben das Vertrauen der Finanzmärkte stark in Mitleidenschaft gezogen. Und auch die grundsätzliche politische Haltung der Türkei verspricht keine Aussicht auf eine schnelle Lösung, verlässt sich der umstrittene Staatspräsident doch lieber auf Gott, statt auf ausländische Kapitalgeber. Investorenflucht und zunehmende Kapitalabflüsse sind verständliche Folgen der Verunsicherung und haben sich zuletzt deutlich beschleunigt. Sie befeuern die wirtschaftlichen Probleme noch zusätzlich. Internationale Investoren befürchten die Pleite, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Anfangs als lokales Problem abgestempelt, schlägt die Türkei-Krise nun größere Wellen. Über den Bankensektor droht sie auch nach Europa zu schwappen. Die Gefahr für die deutsche Realwirtschaft ist faktisch überschaubar, die Türkei liegt mit einem Außenhandelsvolumen von 38 Milliarden Euro nur auf Rang 16 in der Rangliste der Import- und Exportpartner der Bundesrepublik. Doch nun wirft der rasante Währungsverfall ein anderes Problem auf. Die türkische Lira hat seit Jahresbeginn rund 67 Prozent verloren – eine logische Konsequenz des Vertrauensverlustes. Das ist besonders für die europäischen Banken bedenklich. Viele türkische Unternehmen und Banken, haben sich in ausländischer Währung, in US-Dollar und wegen des niedrigeren Zinsniveaus auch in Euro, verschuldet. Für sie wird es zunehmend schwieriger, ihre Kredite zu bedienen. Besonders spanische und französische Banken sind gefährdet, sie haben je rund 80 und 35 Milliarden US-Dollar in die Türkei verliehen. Bei italienischen Banken stehen 18 Milliarden und bei deutschen 13 Milliarden in den Büchern. Das hat auch die EZB-Bankenaufsicht auf den Plan gerufen. Die gute Nachricht ist, dass die Aufseher derzeit keine systemischen Risiken sehen. Doch mögliche Zahlungsausfälle könnten riesige Löcher in die Bilanzen einiger Kreditinstitute reißen. Weil sie sich zusätzlich zur Kreditvergabe auch in den türkischen Bankenmarkt eingekauft haben, stehen vor allem die spanische BBVA, die UniCredit aus Italien und die französische BNP Paribas im Fokus.

Wenig verwunderlich befinden sich türkische Staats- und Bankenanleihen unter Druck: Die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen liegt nunmehr bei 20%, die einzelner türkischer Bankanleihen sind auf über 25% in die Höhe geschnellt. Ein mögliches Ausfallrisiko auf Türkei-Ebene ist bereits eingepreist. Doch die Entwicklungen der letzten Tage haben einmal mehr die Spekulation um die Bonität des europäischen Bankensektors und Stabilität des Euro angeheizt. Wir rechnen deswegen auch bei europäischen Staatsanleihen und dem Euro in den nächsten Wochen mit Kursschwächen und erhöhter Volatilität. Die Gemeinschaftswährung fiel bereits wieder unter die Marke von 1,15 US-Dollar. Auch auf den deutschen Aktienmarkt könnte sich die Verunsicherung niederschlagen, besonders in den handelsschwachen Sommermonaten. Langfristig droht durch die Schwäche der türkischen Wirtschaft aber wenig Ungemach, und ein schwächerer Euro würde dem deutschen Export sogar unter die Arme greifen.

Kai Heinrich

Kai Heinrich

Kai Heinrich ist seit 2012 im Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG und verantwortet schwerpunktmäßig die Bereiche Unternehmenssteuerung, Bestandskundenbetreuung, Fondsmanagement und Organisation. Zusätzlich ist er Fondsmanager des Kana NEB Funds und agiert neben Thomas Käsdorf als Co-Fondsmanager des offensiven Mischfonds Plutos Multi Chance.

Weitere Neuigkeiten

Die Bitcoin-Enthusiasten fiebern gespannt dem nächsten Halving entgegen, einem entscheidenden Ereignis in der Welt der Kryptowährungen. Was ein Bitcoin-Halving ist und warum es für Anleger von Interesse sein kann, erfahren Sie hier – ein kurzer Überblick.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert