Schuldendeflation

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Die Schuldendeflation ist ein theoretisches Konzept des Ökonomen Irving Fisher von 1933. Ihr Entstehen hängt unmittelbar mit dem Börsenkrach von 1929 und der anschließenden Weltwirtschaftskrise zusammen. Irving Fisher war selbst an der Börse aktiv und hatte für seine Wertpapierkäufe Schulden aufgenommen, die er mit den gekauften Wertpapieren absicherte. Mit dem Kursverfall an den Börsen verloren auch seine Kreditsicherheiten wesentlich an Wert und was ihm blieben waren die Schulden, die er aufgenommen hatte und die nicht mehr gedeckt waren.

Die Schuldendeflation war der Beginn der Verwendung von Kreditzyklen in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zur Analyse der Konjunktur. Die Schuldendeflation verlor für einige Jahre an Bedeutung, bevor sie in den 80er Jahren und insbesondere seit der Finanzkrise 2008 neu entdeckt und weiterentwickelt wurde. Die Theorie zielt dabei darauf, wie es dazu kommt, dass eine Schuldendeflation eintritt, also eine Kreditblase platzt. Die Entstehung einer Kreditblase wird in einer weiteren Theorie und entsprechenden Modellen behandelt.

Ursprung und Herleitung

In seinem 1933 erschienen Buch „The Debt-Deflation Theory of Great Depressions“ begründete Irving Fisher die Weltwirtschaftskrise mit der Deflation auf Kreditschulden, die zu einem Ketteneffekt führt, der in einer Rezession endet. Ausgangspunkt seiner Argumentation war die Quantitätstheorie.

Ein Schuldner muss seine Zahlungsfähigkeit kurzfristig herstellen und versucht dies über die Verkäufe seiner Anlagen (Wertpapiere, Immobilien) zu erreichen. Diese Verkäufe führen zu einer Preissenkung und zu einer Verringerung der (Giral-)Geldschöpfung bei den Banken, sodass die Geldmenge insgesamt sinkt. Durch die verringerte Geldmenge sinkt wiederum das allgemeine Preisniveau.

Das sinkende Preisniveau reduziert die Werte der Unternehmen und die Kreditwürdigkeit nimmt ab, sodass die Verlängerung und Umschuldung von Krediten erschwert werden. Die Gewinnsituation der Unternehmen verschlechtert sich daraufhin zusehends. Die Unternehmen führen daher die Produktion zurück, entlassen Arbeitskräfte und der Handel geht zurück.

Daraus folgen Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit, sodass das Vertrauen in die wirtschaftliche Situation schwindet. Der Vertrauensverlust geht so weit, dass Kapital gespart und nicht investiert wird. Durch das sinkende Preisniveau erhöht sich der reale Schuldenstand und damit die reale Zinslast der Kreditnehmer.

Fisher selber lehnte infolge dieser Theorie seitdem zwei seiner vorherigen Annahmen über den Wirtschaftskreislauf ab. Die Annahme, dass sich Märkte zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht befinden und daher „geräumt“ sind. Die zweite Annahme, dass Schulden immer bezahlt werden, wich der Erkenntnis, dass es bei Schulden zu einem Zahlungsausfall kommen kann.

Rezeption und Weiterentwicklungen

Fishers Theorie wurde zunächst weitgehend ignoriert. Die Arbeit von John M. Keynes hatte eine größere Anziehungskraft auf die Forschungsökonomen. Erst in den 80er Jahren fingen Ökonomen an, sich mit der Bedeutung von Krediten und Kreditzyklen für die Konjunktur auseinanderzusetzen.

Erste Durchbrüche wurden in den 90er Jahren erzielt und ein wesentlicher Schub kam durch die Finanzkrise 2008, die ihren Ursprung in einem kreditfinanzierten Immobilienboom hatte. Die Preissteigerungen bei Immobilien in den USA führten damals dazu, dass die Immobilieneigentümer ihre Kreditmöglichkeiten ausweiten konnten, da der Wert der Besicherungen wesentlich gestiegen war.

Verstärkend kam hinzu, dass die Hypotheken für Kredite mit nur einer kurzen Zinsbindung versehen waren. Durch den schnellen und starken Anstieg der (Leit-)zinsen erhöhte sich die Zahlungsbelastung für die Kreditnehmer drastisch. Viele Amerikaner mussten ihre Häuser verkaufen, was den Preisverfall bei Immobilien weiter beschleunigte und die Besicherung von Hypotheken unter den Kreditwert senkte.

Der ehemalige Fed-Präsident und Wirtschaftsforscher Ben Bernanke sah in dieser Spirale einen wesentlichen Punkt zur Weiterentwicklung der Deflationstheorie, indem er die Auswirkungen auf die Bankbilanzen und die Kreditvergabe der Banken miteinbezog. Vergleichbares vollzog sich wieder infolge der starken und schnellen Leitzinssteigerungen bis Mitte 2023.

Der Immobilienboom, der in Deutschland nach Ende der Finanzkrise eingesetzt hatte, war auch wesentlich über Kredite finanziert und bei vielen Immobilienentwicklern wurde die Phase der Nullzinspolitik in die Zukunft weitergeschrieben.

Die Preissteigerungen führten dazu, dass den Unternehmen höhere Kredite eingeräumt wurden, da die hinterlegten Besicherungen ebenfalls stiegen. Die Corona-Pandemie führte insbesondere bei Gewerbeimmobilien zu einem Preisschock.

Durch die Leitzinssteigerungen bis Mitte 2023 stieg die Zinsbelastung der Schuldner und die Nachfrage nach Immobilien brach ein, was die Beleihung für weitere Kredite senkte und bei bestehenden Krediten dazu führte, dass der Beleihungswert unter die Verlustschwelle der Kreditgrenze sank. Die Auswirkungen dieser Spirale greifen auch auf die Realwirtschaft über, indem der zuvor boomende Bausektor mit deutlichen Auftragsrückgängen zu kämpfen hat.

Eine besondere Finanzkrise und Kreditklemme mit Zahlungsausfall liegen bei internationalen Staatsschulden vor. Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart haben in ihren Forschungen seit 2009 die Auswirkungen von Staatsschulden untersucht.

Da es sich um internationale Krisen handelt, haben diese auch einen währungspolitischen Charakter. Schulden, die in einer Fremdwährung aufgenommen wurden, erreichten nach einer Abwertung der eigenen Währung ein wesentlich höheres Volumen, das nicht mehr zurückgezahlt werden kann.

Empirie, Validität und Gegenmaßnahmen

Empirische Untersuchungen legen nahe, dass die Schuldendeflation die Weltwirtschaftskrise verursacht hat. Als Gegenmaßnahme wird eine klassische Interventionspolitik empfohlen, also staatliche Ausgabenprogramme die inflationierend wirken sowie Maßnahmen seitens der Zentralbank, die einer Kreditklemme entgegenwirken.

Fisher propagierte diese Reflationierung als Mittel, um die reale Verschuldung der Kreditnehmer zu mindern. Alternativen, die von weiteren Ökonomen befürwortet wurden, war ein Schuldenmoratorium, um den Kreislauf der sich verschärfenden Verschuldung zu durchbrechen. Die Keynesianer sehen vor allem in einer steigenden öffentlichen Verschuldung die optimale Maßnahme, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu steigern.

Fazit

Die Schuldendeflation ist weiterhin eine relevante Theorie zur Erklärung der Konjunktur, insbesondere bei Finanzkrisen, die in einem engen Zusammenhang mit einem Kreditzyklus oder einer Schuldenkrise stehen. Aus den bisherigen Finanzkrisen hat man die Lehre gezogen, dass die Banken auf mögliche Krisen besser vorbereitet sein müssen, um möglichen Kreditausfällen und ihren Verkettungen standzuhalten.

Die Geschichte zeigt aber auch, dass sich Kreditzyklen immer wiederholen und sie ein Teil des Wirtschaftssystems sind. Es geht vielmehr darum, mit ihren Auswirkungen umzugehen und extreme Spitzen zu unterbinden.

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Kai Heinrich

Kai Heinrich

Kai Heinrich ist seit 2012 im Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG und verantwortet schwerpunktmäßig die Bereiche Unternehmenssteuerung, Bestandskundenbetreuung, Fondsmanagement und Organisation. Zusätzlich ist er Fondsmanager des Kana NEB Funds und agiert neben Thomas Käsdorf als Co-Fondsmanager des offensiven Mischfonds Plutos Multi Chance.

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