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Willkommen zu unserem heutigen Podcast „Warum ESG mehr schadet als nützt“. Wir werden uns die Risiken und Herausforderungen anschauen, die sich aus dem Einsatz von ESG-Kriterien in der Finanzwelt ergeben. Dazu sprechen wir gemeinsam mit Kai Heinrich, Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG. Schön, dass Sie da sind Herr Heinrich.
Selbstverständlich.
Die drei ESG-Faktoren bilden ein Framework, das von Investoren, Finanzinstituten und Unternehmen verwendet wird, um die Nachhaltigkeit und sozialen Auswirkungen einer Organisation oder eines Unternehmens zu bewerten.
(Umwelt – „Environmental“):
Die Kriterien der „Umwelt“ beziehen sich auf die Umweltleistung und -auswirkungen eines Unternehmens. Dazu gehören ökologische Aspekte wie Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Wassernutzung, Abfall- und Schadstoffmanagement sowie die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und Ökosysteme.
(Soziales – „Social“):
Die „Sozialen“ Kriterien konzentrieren sich auf die zwischenmenschlichen Auswirkungen eines Unternehmens, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen zu Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und den Gemeinden, in denen es tätig ist. Unter anderem fallen Aspekte wie Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Gesundheit und Sicherheit, Mitarbeiterbeziehungen und Einbeziehung der Gemeinschaft in diesen Bereich.
(Unternehmensführung – „Governance“):
Die Kriterien der „Unternehmensführung“ beziehen sich auf die Art und Weise, wie ein Unternehmen geführt wird. Dazu gehören Themen wie die Unternehmensstruktur, Vergütung der Geschäftsführung, Korruptionsbekämpfung, Steuerstrategie und Aktionärsrechte.
Ja, ein Hauptproblem ist, dass die Umweltkomponente bei ESG-Bewertungen oft überbewertet wird. Analysen von Rating-Agenturen zeigen, dass die Umwelt das meiste Gewicht hat, während soziale und unternehmensbezogene Aspekte oft eine untergeordnete Rolle spielen.
Dies resultiert zwangsläufig in einer verzerrten Sichtweise, die bestimmte Unternehmen möglicherweise überbewertet, obwohl sie unter Berücksichtigung der sozialen und unternehmensbezogenen Kriterien möglicherweise nicht so positiv abschneiden würden.
Anders ausgedrückt: Ein Bewertungssystem ist nur dann wirklich ausgewogen, wenn alle drei ESG-Komponenten gleichberechtigt einbezogen werden. Allerdings ist dies momentan noch selten der Fall.
Das liegt daran, dass viele Menschen, beim Gedanken an ESG, sofort an rauchende Schornsteine und Ölförderanlagen denken. Diese visuellen Darstellungen haben einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung der Menschen und können dazu führen, dass sie die anderen Aspekte von ESG vernachlässigen.
Genau, kleinere Unternehmen haben oft nicht die Ressourcen, um alle ESG-Anforderungen zu erfüllen. Dadurch erhalten sie oft schlechtere oder gar keine Bewertungen von Rating-Agenturen, was auch dazu führt, dass sie von den Anlagerichtlinien vieler institutioneller Investoren ausgeschlossen werden.
Der Knackpunkt ist ja, dass ESG-Ratings keine statischen Berechnungen sind, wie andere Finanzkennzahlen. Ein KGV lässt sich ganz einfach durch einen Blick in den Unternehmensbericht und Preischart errechnen.
Ein häufig benutzter Weg ist es, das Gehalt des Vorstandes in Relation zum Gehalt eines durchschnittlichen Angestellten zu betrachten: Verdient der Vorstand 500.000 EUR und ein durchschnittlicher Angestellter 50.000 EUR pro Jahr, so verdient der Vorstand das Zehnfache – wir haben einen Faktor von 10. Je höher, desto unfairer – könnte man jetzt als Skala nehmen.
Das Problem hier wiederrum: Wer definiert denn, ab wann es unfair wird?
Ganz genau. Das Beispiel mit dem Vorstandsgehalt kommt aus dem „Governance“-Bereich. Ein weiteres Beispiel aus dem „Environmental“-Bereich wäre Folgendes:
Hier in Deutschland führt Atomkraft zu einem negativeren Rating. Die Gefahren von Atomkraft führen, so die Ratings, zu erhöhten Risiken für Mensch und Umwelt. So weit, so fair.
In Frankreich hingegen, führt Atomkraft zu besseren Ratings. Das Argument ist, dass man dadurch schließlich CO2-Emissionen einspart.
Ein und dasselbe Unternehmen, kann so völlig unterschiedliche Ratings erhalten. Ein KGV bleibt hingegen immer gleich.
Ja ganz genau, das ist ein weiterer Punkt, der durchaus für Bedenken sorgen kann. Wenn alle Anleger nur noch in große Unternehmen mit hohen ESG-Ratings investieren, kann das zu einer Preisblase führen. Und wenn diese Blase platzt, sind die Verluste enorm und das nützt der Nachhaltigkeit nicht.
Ja, es gibt aktuell keine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit und das führt zu Intransparenz und Missbrauch. Einige Unternehmen könnten versucht sein, „Greenwashing“ zu betreiben, indem sie sich als umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind.
Ja, das ist eine berechtigte Sorge. ESG-Anlagen können durch ihre strengen Kriterien Unternehmen ausschließen, die vielleicht nicht die saubersten Geschäfte betreiben, aber dennoch einen erheblichen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit haben könnten.
Klar, nehmen wir als Beispiel Unternehmen, die momentan große Mengen an CO2 ausstoßen. Mit einer gewissen Investition könnten diese Unternehmen bedeutende Fortschritte bei der Reduzierung ihrer Emissionen erzielen. Wenn man also solche Unternehmen von Investitionen ausschließt, verzichtet man auf eine Chance, einen erheblichen Einfluss auf die Erzielung von Nachhaltigkeitszielen zu nehmen.
Natürlich heißt das nicht, dass alle Unternehmen, die viel CO2 ausstoßen, die Wohlfahrt sind. Vielen Unternehmen scheint die Umwelt nicht besonders am Herzen zu liegen und die Gier führt letztlich zu Greenwashing.
Dennoch: Die Unternehmen, die an Innovation forschen und entweder schlechte oder gar keine Ratings kriegen, werden praktisch ausgeschlossen.
Es ist wichtig, dass alle drei ESG-Komponenten gleichmäßig berücksichtigt werden. Außerdem sollten Rating-Agenturen sicherstellen, dass sie kleinere Unternehmen fair bewerten. Schließlich sollte es klare und allgemein akzeptierte Definitionen von Nachhaltigkeit geben, um Greenwashing zu vermeiden und Investoren dazu zu ermutigen, in Unternehmen zu investieren, die eine echte Transformation zur Nachhaltigkeit anstreben.
Es sollte nicht versucht werden, das komplette Thema ESG in einer Zahl auszudrücken oder gar diese Zahl in eine Ampelfarbe zu übersetzen. Eine klassische Fundamentalanalyse hat doch auch nicht den Anspruch, in einer Zahl ausgedrückt zu werden, warum also bei ESG?
ESG sollte der Komplexität der Realität Rechnung tragen. Ratings sollten kleinteiliger und nicht möglichst aggregiert werden. Statt in Segmenten wie „gut, mittel oder schlecht“ oder „grün, gelb und rot“ eingeteilt zu werden, sollten die Zahlen für sich sprechen.
Wir haben nur eine Umwelt und der respektvolle Umgang mit ihr, den Mitarbeitern und allen anderen Stakeholdern ist von unbeschreiblicher Bedeutung. Das ESG-Bewertungssystem, wie wir es gerade haben, leistet leider keinen angemessenen Job, um dem Rechnung zu tragen.
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