Episode #037

Nachhaltiges Investieren: Anlegererwartungen vs. Realität | Steffen Leditschke

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Der Begriff Nachhaltigkeit stammt schon aus den 80er Jahren aus einer von der UN installierten Kommission für Umwelt und Entwicklung unter der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Brundlandt. Seither gibt es die viel zitierte Definition: „Nachhaltigkeit bedeutet, die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen zu erfüllen, ohne dabei spätere Generationen in ihren Fähigkeiten einzuschränken, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.“ Mehr dazu hier.

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Der Begriff Nachhaltigkeit stammt schon aus den 80er Jahren aus einer von der UN installierten Kommission für Umwelt und Entwicklung unter der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Brundlandt. Seither gibt es die viel zitierte Definition: „Nachhaltigkeit bedeutet, die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen zu erfüllen, ohne dabei spätere Generationen in ihren Fähigkeiten einzuschränken, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.“ 40 Jahre später ist das Thema aktueller denn je, was sich u.a. aus dem Druck der umweltbedingten Veränderungen und der damit verbundenen politisch motivierten Regulierung ableiten lässt.

Nachhaltiges Investieren rückt in den letzten Jahren regulatorisch bedingt teilweise auch unfreiwillig in den Fokus der Investoren

Im Jahr 2000 haben die Vereinten Nationen die Millennium Entwicklungsziele für den Globus definiert und in 2015 ergänzt. Konkretisiert für die Umsetzung wurden diese Ziele für Europa durch die EU Kommission u.a. mit dem Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum in 2018. Eine der vielen Maßnahmen wird u.a. durch die in den letzten Wochen viel zitierte und seit 2022 gültige EU Taxonomie sein, ein Regelwerk für alle Anbieter von Finanzmarktprodukten sowie alle Unternehmen, die zur Veröffentlichung einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind. Nichtfinanziell bedeutet, dass nicht Umsätze und Gewinne sondern Aktivitäten und Status Quo rund um die ESG Faktoren berichtet werden. Diese soll Kapitalflüsse in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten lenken. Damit wird Nachhaltigkeit zu einem Kriterium des Risikomanagements in der Finanzwirtschaft. Diese legt ein gesamtwirtschaftliches Regelwerk für klima- und umweltfreundliche Tätigkeiten und Investitionen fest und hat dafür mehrere Klima- und Umweltschutzziele herausgearbeitet: Diese sind die Bekämpfung des Klimawandels, die Anpassung an den Klimawandel, die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Derzeit arbeitet die EU noch an den konkreten Bewertungskriterien für Unternehmensaktivitäten. Daraufhin erfolgte eine sukzessive Umsetzung für jedes einzelne Ziel. U.a. ergeben sich neue Berichtspflichten für Unternehmen: Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen qualitative Angaben darüber machen, in welchem Umfang ihre Wirtschaftsaktivitäten nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Ziele sind. Wer ein Finanzmarktprodukt als ökologisch vermarkten will, muss dessen Anteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen offenlegen. Zudem spielt der Finanzsektor eine wichtige Rolle dabei, Kapitalströme in nachhaltige Investitionen zu lenken. Nachhaltigkeitsaspekte fließen künftig stärker in die Beratung ein.

In der Anwendung aller Gesetze und Normen befinden sich allerdings noch einige Schwierigkeiten, weshalb sich die komplette Umsetzung noch etwas hinzieht. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Rating-Anbieter, Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Vermögensverwalter arbeiten an Lösungen, jedoch wird es noch eine Weile dauern, ehe dieses Mammutprojekt, vor allem in Bezug auf Transparenz und Vergleichbarkeit, einen umfänglichen Widerhall findet. Leidvoll musste die DWS – eine der größten deutschen Kapitalverwaltungsgesellschaften – im August ’21 erfahren, dass die Interpretation von praktischer ESG-Konformität im Abgleich zur Theorie von der Aufsicht, in diesem Falle der SEC, der amerikanischen Börsenaufsicht und der BaFin, mitunter anders gesehen wird. Daraufhin wurden Ermittlungen eingeleitet und der Aktienkurs fiel auf einen Schlag um 13%.

Selbst wenn das Thema „Nachhaltigkeit“ in der privaten Kapitalanlage allein schon durch die verstärkte öffentliche Diskussion in absehbarer Zeit größeren Nachhall gefunden hätte, bleibt die Gesetzgebung im Rahmen der Europäischen Union der entscheidende Treiber für die Ausrichtung der Finanzwirtschaft auf Produkte, die sich an den ESG-Kriterien orientieren.
Nun treffen aber all jene Regulierungen auf die privaten und institutionellen Anleger. Insbesondere private Anleger gewichten bestimmte Aspekte als Nachhaltigkeit höher wie Studien des Deutschen Instituts für Altersvorsorge und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zeigen. Dies ist mit dem Fleischkonsum vergleichbar: alle wollen Bio kaufen, jedoch beweist die Statistik das Gegenteil.

Müssen sich private Investoren zwischen Sicherheit, Rendite, Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit entscheiden, dann konterkarieren diese Aussagen die vorher bekundete Bereitschaft zu nachhaltigen Anlagen. Nachhaltigkeit liegt bei der Gewichtung dieser vier Eigenschaften auf dem letzten Platz. Umgekehrt sorgen sich private Investoren um einen sicheren Ruhestand, finanzielle Ziele und Risiken, allerdings auch darum, ob die Luftverschmutzung bei ihren Kindern Asthma verursacht oder ob die zunehmende Zahl von Waldbränden dazu führt, dass Hausversicherungen den Versicherungsschutz einschränken. Insofern stellt dies eine unklare Gemengelage dar.

Wie können fundierte Definitionen, mit denen die Ratingagenturen und Produktentwickler hantieren, mit der realen Lebenswelt der Menschen vereint werden? An dieser Stelle darf nicht erwartet werden, dass die Taxonomie, die im Rahmen der Europäischen Union als Kriterienkatalog für die Bewertung von Unternehmen und Staaten entwickelt wird, auf jener Ebene abläuft, auf die sich private Anleger bei ihren Entscheidungen begeben.

Studien von JP Morgan und der Bank of America aus 2020 zeigen, dass europäische ESG-Aktien gemessen am Kurs Gewinn Verhältnis nicht teurer sind als der Gesamtmarkt. In den USA war das ähnlich, aber ab 2016 drifteten USA und Europa auseinander, was wiederum an den Big Techs wie u.a. Amazon, Apple, Alphabet lag, die den Markt outperformten und einen immer größer werdenden Anteil am Gesamtmarkt haben. Dort gab es bis in das Jahr 2021 einen deutlichen Anstieg der Bewertungen ggü. dem Gesamtmarkt., was aber auch mit der Neubewertung von Technologieunternehmen in Gänze zusammenhängt.

Inwieweit nachhaltige Investments auch für gute Rendite-Chancen stehen, ist bereits seit mehreren Jahren Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, bis 2015 waren dies schon mehr als 2.000. Die zentralen Ergebnisse sind,
• 90 Prozent der Untersuchungen belegen, dass solide ESG-Praktiken zu einer besseren operativen Unternehmensleistung führen, weniger als 10 zeigen einen negativen Einfluss.
• 80 Prozent der Studien belegen, dass gute Nachhaltigkeitspraktiken die Aktienkursentwicklung von Unternehmen positiv beeinflussen.
• Es gibt keinen dominierenden der 3 Faktoren Umwelt/Soziales/Unternehmensführung.
• Der Zusammenhang zwischen ESG und ökonomischer Leistung der Unternehmen ist seit Mitte der 90er Jahre relativ konstant.
• Generell bestätigen die wissenschaftlichen Studien, dass im Hinblick auf die Rendite nichts gegen einen Nachhaltigkeitsansatz bei der Geldanlage spricht. Vielmehr betonen die Forscher das langfristige Potenzial, welches sich aus den strukturellen und ökonomischen Vorteilen nachhaltig agierender Unternehmen ergibt.

Warum gewähren verantwortungsvolle Investments auch attraktive Renditepotenziale? Ein umweltschonender und effizienter Umgang mit Ressourcen reduziert nicht nur die Kosten auf der Unternehmensseite, siehe der jüngste Anstieg beim Öl- und Gaspreis Eine rechtzeitige Vorbereitung auf künftige ökologische und soziale Standards verringert gleichzeitig die Unternehmensrisiken, etwa in den Bereichen des Rechts, der Regulierung oder der öffentlichen Reputation, die einen negativen Einfluss auf das weitere Wachstum und die Ertragsentwicklung haben. Welche Risiken beispielsweise mit anhaltenden Rechtsstreitigkeiten oder der Schädigung des Rufs einhergehen, zeigt die Diesel-Affäre bei Volkswagen, die dem Konzern und den Anlegern massiv zugesetzt hat.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Mitarbeitern verbessert zudem die Motivation und die Arbeitsleistung, schafft Freiräume zur kreativen Entfaltung und ist ein maßgeblicher Hebel zur Steigerung der Effizienz. Nachhaltig und verantwortungsvoll arbeitende Unternehmen punkten daher oft mit einer hohen Innovationsbereitschaft und gehen aktuelle globale Herausforderungen wie den Klimawandel sowie die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt aktiv an. Für institutionelle wie für private Investoren entsteht durch den positiven Einfluss auf die Geschäftsmodelle ein deutlich attraktiveres Anlageumfeld in finanzkräftigen und zukunftsträchtigen Wachstumsmärkten.

Mit Blick auf die wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen können die Ertragschancen durch positive Rendite-Effekte langfristig sogar noch weiter steigen. Die einstigen Nischenprodukte haben längst ihren Weg in den Mainstream gefunden und gewinnen stetig Marktanteile. Laut dem Forum Nachhaltige Geldanlagen-Marktbericht „Nachhaltige Geldanlagen 2019“ wuchs das Investitionsvolumen allein in Deutschland innerhalb eines Jahres um rund 50 Milliarden Euro auf über 269 Milliarden Euro an.
Zwar sind es heute größtenteils institutionelle Investoren, die ihr Geld unter nachhaltigen Gesichtspunkten anlegen, anlegen müssen. Doch dass in Zukunft weit mehr Privatanleger auf Rendite und Nachhaltigkeit setzen, lässt sich bereits aus den aktuellen Entwicklungen ablesen. Insbesondere in Familien spielt das Thema Nachhaltigkeit bei der Geldanlage eine immer wichtigere Rolle.

Fazit: Mit nachhaltigen Investments können Sie nicht nur etwas Gutes für Ihr Gewissen tun, sondern auch für Ihr Portemonnaie. Nachhaltigkeit und Rendite widersprechen sich nicht – im Gegenteil! Als Anleger tragen Sie dazu bei, zukunftsträchtige Marktpotenziale zu erschließen und fördern die Wettbewerbsfähigkeit verantwortungsvoll agierender Unternehmen und Staaten. Je erfolgreicher sich diese strukturell und ökonomisch für die Zukunft aufstellen können, desto mehr profitieren auch Sie – in ökologischer, sozialer UND finanzieller Hinsicht.

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