Sola’s Meinung zum Schweizer Aktien-Markt (Episode 23)

Inhaltsverzeichnis

** Plutos – Schweiz Fund Update ***

*** ‘Looking through’ H124? ***

*** R&S Group erhöht Investoren-Traktion ***

*** Temenos zurück in der ‘Penalty Box’

Der April 2024 war ein herausfordernder Monat an den Märkten – nun gilt es konsequent und geduldig zu bleiben. Der Plutos-Schweiz Fund beschließt den Berichtsmonat 4,1 % tiefer, während der SPI Small/Mid Cap Index 1.9 % und der SMI-Index 4 % nachgeben. Damit haben, zum ersten Mal in diesem Jahr, die Small/Mid Caps gegenüber den Large Caps die Nase vorn.

Unser ‚Play-Book‘, also unsere Zyklus-Erwartungen, sieht tiefere Inflationsraten, Zinssenkungen, steigende Einkaufsmanager-Indizes und ein erstarkendes China vor. Diese Erwartungen werden erst lückenhaft erfüllt: zwar sinkt die Inflation in Europa langsam, aber stetig und wir haben eine SNB-Zinssenkung gesehen, auch die Industrie-PMIs senden zunehmend positivere Signale. Doch die Fed-Zinssenkung scheint kurzfristig bis September verschoben und China zeigt höchstens eine Stabilisierung.

Der April war ein volatiler Monat: Nervosität um die amerikanischen Tech-Resultate und eine Zentralbank, die sich weiter zurückhaltend äußert, führte zu einer wahren Casino-Börse. Ein Grund dafür dürfte auch in der hohen Gewichtung der Investoren in passive Anlagen, man schätzt 60 – 70 % der globalen Aktien-Anlagen, zu finden sein. Sie werden tendenziell kürzer gehalten und führen damit zu erhöhter Volatilität und einem ‚Nachrennen‘ der ETFs, was zu übermäßigen Bewegungen in beide Richtungen führt.

Die Anzahl Gewinner im Mai ist kurz: Sandoz wurde von einem Broker-Upgrade angetrieben; Accelleron sah einige Preisziel-Erhöhungen; GAM gewinnt ebenfalls – hier hilft die Ausnahmeregelung der Übernahmekommission (UEK), den Ankeraktionär von einer Übernahmepflicht zu befreien.

ams OSRAM legt nicht unerwartet ein solides Q124-Zahlenset vor und die Aussage von CFO Irle, dass ‘die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Kunden für das Micro-LED-Projekt zu gewinnen, momentan hoch ist’ regt den Aktienkurs etwas an. u-blox sieht trotz einem harzigen Q124 den Nachfrage-Boden erreicht.

Bei den Large-Caps überzeugen Lonza weiterhin, einzig ABB kann sich in diese Performance-Liga einreihen. Kühne + Nagel, wo ein in den Erwartungen liegendes Q1-Resultat, als nicht genügend erachtet wurde, büßten ein. Mit der Zunahme des Welthandelsvolumens zeichnet sich jedoch eine dynamischere Weltwirtschaft ab, was den Weg zu einer Höherbewertung ebnen sollte.

Obwohl Straumann ein starkes Q124 abliefert, moniert der Markt die Abschwächung in den USA – diese dürfte im Zusammenhang mit den noch immer hohen Zinsen stehen.

Die Temenos-Aktie steht nun wieder dort, wo sie Anfang 2023 stand – unter CHF 60. Wir gehen davon aus, dass die weiteren Quartale besser werden und die FY24-Guidance erreicht wird. Daher bietet sich erneut die Chance, den Wert zum Discount-Preis zu erwerben. DocMorris litt unter der Ausgabe einer Wandelanleihe und dem gleichzeitigen Absicherungsangebot durch die Banken (Concurrent Delta Placement).

Die Zykliker Bystronic, Komax, SFS, Zehnder, gar Holcim, die ein makelloses Q1-Resultat lieferten, standen unter Druck.

Der Plutos-Schweiz Fund hat im April eine erste Tranche in Kühne+Nagel und Roche erworben, gänzlich verkauft wurde keine Position.

‚Looking through‘ H124?

Unser ‚Play-Book‘, also unsere Anlagestrategie, richtet sich darauf aus, dass

  • die Inflation in den USA, aber auch in Europa, weiter sinkt,
  • die EZB und die Fed dem SNB-Beispiel folgen und die Zinsen senken,
  • die Einkaufsmanager-Indizes sich, insbesondere in China, weiter erholen,
  • der Schweizer Franken moderat schwächer wird und damit die Schweizer Export-Champions entlastet.

Das Resultat wäre ein Erstarken des Zyklus, gerade in Europa, zyklische Aktien dürften an Reiz gewinnen und unsere strategischen Investments überproportional profitieren. Auch unsere taktischen Anlagen könnten unsere Annahmen besser erfüllen und die opportunistischen Fälle vermehrt an Substanz zulegen.

Dafür müssen wir jedoch in die nächste Geländekammern, also ins zweite Halbjahr 2024 und ins 2025 schauen. Das soll nicht heissen, dass wir die FY23- oder H124-Resultate gänzlich ignorieren, aber es ist auch nicht mehr als eine Momentaufnahme und soll so gewertet werden.

Im englischen Sprachgebrauch nennt man dies ‚looking through a quarter/semester‘ – ein Ansatz, den wir seit der Fund-Lancierung im Oktober 2022 anwenden. Gerade qualitativ hochstehende Werte haben wegen der Pandemie, Lieferketten-Problemen, Nachfrageschwächen, der CHF-Stärke oder dem bisherigen Ausbleiben eines China-Rebounds entweder übermäßig gelitten oder profitiert – hier gilt es die Resultate zu normalisieren und die Veränderungen zu analysieren.

Bei einigen unserer Portfolio-Unternehmen wären wir schlicht nicht investiert, hätten wir nicht das große Ganze ins Auge gefasst: Lonza hatte im letzten Jahr durch schlechte Kommunikation viel Vertrauen eingebüßt – und legt dieses Jahr bisher über 40 % zu. Rieter, der Winterthurer Marktführer für Webmaschinen, sah und sieht sich mit einigen Herausforderungen konfrontiert – +40 % seit Jahresanfang. TX Group war im Oktober 2023 noch bei rund CHF 80 zu haben – und hat, dank der Fantasie um das SMG-IPO, bisher über 80 % zulegen können. DocMorris hatte bis Mitte letzten Jahres jeglichen Investoren-Bonus verloren, schwang auf Grund des e-Rezepts in Deutschland im letzten Jahr über 100 % nach oben und ist auch 2024 bei den Gewinnern.

Zwei der prominenteren Fälle, bei denen der Markt durchaus bereit war und ist durch eine temporäre Schwächephase hindurchzuschauen, sind Comet und VAT. 2023 war alles andere als einfach und auch das erste Quartal 2024 ist noch holprig – und doch legen beide 10 % bzw. 7 % zu.

Interessant für Sie ist aber wohl eher, wo sich der Markt mit dem ‚Looking through‘ noch zurückhält, denn hier eröffnen sich meiner Meinung nach die größten Chancen.

Noch immer klar unterbewertet sind für mich ams OSRAM – das Unternehmen ist so viel mehr als microLED; Temenos, trotz der entlastenden externen Untersuchung, wird nun ein schwaches Q1 moniert; Komax, denn am Marktführer für Kabelbaum-Maschinen führt kein Weg vorbei und der Automatisierungstrend verstärkt sich weiter; Pierer Mobility – dank ihrem exzellenten Exposure nach Indien und China; medmix, die dieses Jahr die PS auf den Boden bringen werden; Bystronic – trotz starker Konkurrenz aus Deutschland und Japan ist der Blechbearbeiter ein Unternehmen, mit enormem Aufholpotenzial; aber auch u-Blox, Ascom, Belimo, Forbo und die großen  Roche und Kühne+Nagel sind unsere Favoriten.

Natürlich gibt es auch außerhalb unserer momentanen Positionierung einige Werte, die noch verschmäht werden: Swatch, Schweiter, LEM, SIG, Tecan – sie alle befinden sich auf unserem Radar.

Entwickelt sich der Markt nur halbwegs analog unseres ‚Play-Books‘ können wir uns auf ein interessantes H224 und ein ergiebiges FY25 freuen – momentan braucht es Geduld und Durchhaltevermögen.

R&S Group erhöht Investoren-Traktion

Bei meinem Besuch bei der R&S Group in Sissach sprach ich mit CEO Markus Laesser und CFO Matthias Weibel erneut über die Markt-Treiber Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Urbanisierung, die Modernisierung der Netze auf Grund der alten Infrastruktur v.a. in Europa – oder kurz: alle wollen und brauchen mehr Strom, die das Netzwerk so noch nicht hergibt.

Das Management fühlt sich mit der FY24-Guidance von 9 – 12 % Umsatzwachstum bei einer EBIT-Marge von 16 – 18 % sehr wohl. Der Austausch mit Analysten und Investoren nimmt zu und scheint bereichernd zu sein.

R&S arbeitet mit flexiblen Gleitverträgen, bei denen Löhne, Rohmaterialen (Alu, Kupfer, etc.) an die Kunden weitergegeben werden. Im Moment haben die Kunden, insbesondere Schweizer, noch etwas Mühe mit Vorauszahlungen, gewöhnen sich jedoch stetig daran.

Die Projekte gestern und heute sind mannigfaltig: Datacenters, Solar-Farmen, Wind-Farmen, Hydro-Kraftwerke, Chemie-Unternehmen, das CERN, The Circle, die Stadt Winterthur, ein Hochgeschwindigkeitszug in Spanien, der Leonardo da Vinci Flughafen – die Liste könnte noch viel länger sein.

70 % des Umsatzes kommen von Distribution Transformern (Medium voltage <66 kV von den EWs and EFH, Datacenters, Solarfarmen, Industrie, Stadtwerke), die durchschnittlich CHF 15-50‘000 kosten. Hier wird die Kapazität in der Schweiz von 1000 auf 1800, in Italien von 3500 auf 4500 erweitert.

30% des Umsatzes kommen von Power Transformers (High Voltage >+66 kV von AKW, Kohle-KW, On-shore Wind an EWs) – ein Projektgeschäft mit Vorauszahlungen, die durchschnittlich CHF 700‘000 kosten. Hier wird die Kapazität in Polen von 80 auf 160 erhöht.

Kleine Milchbüchlein-Rechnung: diese erhöhten Kapazitäten auf über CHF 220 Mio. bei DTs und mehr als CHF 110 Mio. bei PTs bringen mittelfristig ein Umsatzwachstum für die Gruppe von fast 40 %.

Das Ziel lautet, die Marktanteile in den neuen Märkten (Schweden, Nordics, Baltics) auf die Levels in Polen (40 %) UAE (45 %), Tschechien (35 %) und der Schweiz (65 %) zu bringen. Der adressierbare Markt in Europa wird auf EUR 2.5 Mrd. geschätzt – die R&S hält erst 2.5 % – es gibt also noch einiges zu tun.

Bisher ist R&S in den USA nicht präsent – man würde dies wohl nur mit einer passenden Akquisition, einem Cherry-Picking angehen. Dasselbe gilt für den asiatischen Raum.

Zum Aktionariat: Veraison hält momentan noch 6 %, deren Lock-Up endet im Dezember 2024 – ein vorzeitiger Käufer dieses Stakes müsste die VR-Zustimmung erhalten und die Lock-Up-Vorschriften übernehmen.

Mein Fazit: das Wachstum, die Qualität, das Potenzial und die tiefe Bewertung scheinen vom Markt noch nicht erkannt zu werden. Um die Investoren-Traktion zu erhöhen, hat R&S am 6. Mai zu einem Investoren-Lunch eingeladen, plant eine CH-Roadshow, steht an der Investora zur Verfügung und führt am 13. Oktober einen Kapitalmarkt-Tag durch.

Temenos zurück in der ‘Penalty Box’

Bei meinem Austausch mit Temenos CFO Takis Spiliopoulos waren die folgenden Themen zentral:

Der neue CEO Jean-Pierre Brulard hat Sales- und ‘Go-to-Market’-Erfahrung aus seiner Zeit bei VMWare, einem Spezialisten für Cloud Computing und Virtualisierungssoftware, der von Broadcom übernommen wurde und er daher kurzfristig zur Verfügung stand. Brulard hat in vorherigen Positionen bereits mit den größten Banken der Welt gearbeitet, sei eher Amerikaner als Franzose und pflegt einen anderen Führungsstil bez. Empowerment und Delegation als Andreas Andreades. Sein Alter (Brulard ist 65) sei kein Problem, er wirke sehr dynamisch. Die Kompensation des neuen CEO sei gemäß VR ‘sehr normal‘. Er übernimmt die Verantwortung ab 1. Mai 2024. Temenos evaluiert, ob man Mitte Juni einen Event planen soll, damit Investoren ihn treffen können. Die Kündigungsfrist von Andreades beläuft sich auf lange 12 Monate…das Salär wird unter Restrukturierungskosten verbucht.

Der Einfluss der Untersuchung auf Q124 von rund USD 15m auf die Subskription ist für mich nachvollziehbar. Kunden, die eine Software-Lösung für 15-20 Jahre eingehen, zogen es natürlich vor, zwei Wochen auf die Untersuchungsergebnisse zu warten. Ein größerer Deal sei aufgrund der Untersuchung verschoben worden. Verloren gegangen sei jedoch kein Geschäft, auch auf SaaS und Maintenance habe es keinen nachteiligen Einfluss gehabt. Das Geschäftsumfeld sei weiterhin sehr gut und insbesondere Europa erhole sich weiter. ACV (Annual Contract Value) werde natürlich von den verschobenen Deals, aber auch von Down-Selling (Reduktion von Volumen von Kunden), Overages (eigentlich eine Art Penalty – Kunden binden mehr Volumen fix an) beeinträchtigt, Temenos geht aber davon aus, dass man dies während des Jahres wieder aufholen wird. Marktanteilsverluste hat der CFO keine gesehen. Zudem hat Temenos auch während der Untersuchung RFPs (Requests for proposals) erhalten, welche mittelfristig in die Pipeline kommen werden.

3) Guidance 2024: ein Risiko, dass der neue CEO eine tiefere Guidance ansetzen werde, sieht der CFO nicht. Die Guidance hatte von Beginn an genügend Reserve eingebaut und nach Q124 sei einfach diese Reserve kleiner geworden – jedoch nicht gänzlich. SaaS ist im Q124 19% gewachsen, Guidance ist +10%, d.h. Wachstum wird abnehmen und soll mit Licence-Deals aufgeholt werden.

Temenos sei nun wieder in der ‘Penalty Box’ und müsse zeigen, dass die Investoren sich auf die Guidance verlassen können. Die Sales-Gespräche nach der Bekanntgabe der Untersuchungsresultate sei höher als vor den Hindenburg-Vorwürfen. Das Sales-Team sei nach den Hindenburg-Anschuldigungen enorm unter Druck gestanden, da es natürlich das Geschäft merklich erschwerte. Abgänge habe es aber keine gegeben. Die Untersuchungsresultate seien mit Erleichterung aufgenommen worden.

VR prüft weiterhin eine Klage gegen Hindenburg, Die Temenos-Anwälte sähen es aber als chancenlos – wie bereits früher erwähnt, sähe ich auch die Schweizer Börse in der Pflicht.

Obwohl Q124 ein Sentiment-Dämpfer war, geht CFO Takis Spiliopoulos weiterhin klar davon aus, dass Temenos die Jahres-Guidance (operatives Betriebsergebnis 2024 +7 – 9%, FCF mindestens +16%, Lizenzeinnahmen + 7 – 10%. Mid-term: Betriebsgewinn >+ USD 570 Mio., FCF > USD 700 Mio.) liefern wird.

Mein Fazit: Die Temenos-Aktie steht nun wieder dort, wo sie Anfang 2023 stand – unter CHF 60. Danach kamen Übernahmegerüchte auf und mit besseren Resultaten stieg der Wert auf CHF 90. Ich gehe davon aus, dass die weiteren Quartale besser werden und die FY24-Guidance erreicht wird. Daher bietet sich erneut die Chance, einen Wert, der aus meiner Sicht über CHF 100 Fair-Value aufweist, mit Discount zu erwerben.

Mit dem Ende der Q1-Berichtssaison werden meine Highlights im Mai die Accelleron-, Holcim-, DocMorris-, Sensirion- und SKAN-Generalsversammlungen sein, die immer auch einen Austausch mit dem Management ermöglichen – mehr zu den Themen wie immer im nächsten Blog.

Bis demnächst,

Stephan

ZOOM-KÄFELI

Gerne können wir über die erwähnten Punkte in einem Zoom-Käfeli ins Detail gehen – ich freue mich, von Ihnen zu hören!

Stephan Sola

Stephan Sola

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