Neue EU-Gebäuderichtlinie: Was jetzt auf Immobilienbesitzer und Mieter zukommt

Laut einem Gesetzesentwurf der EU müssen viele deutsche Immobilien in den nächsten Jahren energetisch saniert werden. Hohe Kosten und steigende Mietpreise betreffen nicht nur Eigenheimbesitzer, sondern auch Vermieter und Mieter privater oder öffentlicher Gebäude. In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die Rahmenbedingungen, wann das neue Gesetz in Kraft tritt und was auf Immobilieneigentümer zukommt.

Inhaltsverzeichnis

Das Thema EU-Gebäuderichtlinie geistert derzeit in den Medien und sorgt für Verunsicherung bei vielen Hauseigentümern und Mietern. Das Vorhaben gilt als ambitioniert, nach dem Willen der EU müsste ein Großteil der Bestandsimmobilien in Deutschland bis 2030 energetisch saniert werden. Auf viele Immobilienbesitzer könnten damit hohe Kosten zukommen. Auch für Mieter kann die Gesetzesnovelle in Form steigender Mietpreise beträchtliche Konsequenzen haben.

Die EU-Gebäuderichtlinie

Die EU-Gebäuderichtlinie (kurz EPBD für die englische Bezeichnung „Energy Performance of Buildings Directive“) ist bereits seit 2002 in Kraft. Diese soll eine verbindliche Grundlage für die Energieeinsparungen und die effiziente Energienutzung in Gebäuden schaffen. Die EU-Mitgliedsstaaten sind zur Umsetzung der Regelungen auf nationaler Ebene verpflichtet. Deutschland hat die Grundlage dafür mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) geschaffen.

Die EU arbeitet seit 2021 an einer Neufassung der Regelungen. Der Novelle der neuen EU-Gebäuderichtlinie hat das EU-Parlament am 14.03.2023 zugestimmt. Das Ziel: Bis 2050 soll jedes einzelne Gebäude in der EU klimaneutral sein. Dazu sollen zwei wesentliche Maßnahmen beitragen: Die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und die Deckung des verbleibenden Energiebedarfs durch erneuerbare Energien.

Während die bisherige Gesetzesversion nur Vorgaben für Neubauten beinhaltete, umfasst die Neuregelung nun auch Energieeffizienz und erneuerbare Energien von Bestandsimmobilien. In Deutschland sind mehr als ein Drittel aller Ein- und Zweifamilienhäuser weitestgehend unsaniert und befinden sich in den schlechtesten Energieeffizienzklassen G und H. Damit wären nach aktuellem Stand mehr als 7 Millionen Eigenheime vom EU-Vorhaben betroffen.

Übrigens hat sich Deutschland die Klimaneutralität bis 2045, also schon früher, als es die EU-Richtlinie vorsieht, zum Ziel gesetzt. Unabhängig davon, wann und wie die Gesetzesnovelle kommt, sollten sich Immobilienbesitzer in Zukunft mit möglichen Maßnahmen zur Effizienzverbesserung ihrer Gebäude vertraut machen.

Ab wann ist die neue EU-Richtlinie gültig?

Eine wichtige und vielleicht auch beruhigende Nachricht vorab: Der Beschluss der Gesetzesnovelle ist noch nicht verbindlich. Bevor die neue EU-Gebäuderichtlinie in Kraft treten kann, müssen die EU-Staaten mit dem Europäischen Rat über die endgültige Fassung verhandeln. Ein Kompromiss ist frühestens ab Mitte 2023 zu erwarten. 

Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU tritt das Gesetz dann auf europäischer Ebene in Kraft. Die EU-Mitgliedsstaaten haben danach 20 Monate lang Zeit, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland würde die EU-Regelung also mit einer Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für Bauherren und Eigentümer gesetzlich verpflichtend.

Es gibt viel Kritik an der Umsetzbarkeit der Maßnahmen, ob und in welchem Umfang die Regelungen letztendlich in Kraft treten, bleibt daher noch abzuwarten.

Wer ist betroffen? 

Tritt die neue EU-Gebäuderichtlinie in Kraft, sind sowohl Eigentümer von Bestandsimmobilien als auch von Neubauten betroffen. Das Gesetz sieht derzeit das „Nullemissionsgebäude“ ab 2028 vor, sodass Bestandsimmobilien laut einem Sanierungsfahrplan bestimmte Mindesteffizienzstandards erreichen müssen.

Gebäude werden je nach ihrem Energiebedarf in die Energieeffizienzklassen A bis H eingeteilt. Die Objekte müssen schrittweise den Mindeststandard D erreichen. Häuser, die jetzt schon den Klassen A bis D entsprechen, sind also nicht betroffen. Eigentümer von Gebäuden mit einem schlechteren Energieausweis müssten nach aktuellem Stand bis spätestens 2033 handeln.

Die geplanten Regelungen im Überblick (Stand 14.03.2023)

Die EU-Vorgaben umfassen nicht nur Sanierungsmaßnahmen, sondern sollen speziell die Solarenergie in Europa vorantreiben. Das Gesetz macht zudem Vorgaben zum Raumklima (zum Beispiel CO₂-Gehalt, Feinstaubbelastung, Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit, Tageslichtstärke oder akustischer Raumkomfort).

Um die Umsetzung zu erleichtern, sieht das Gesetz flankierende Förderprogramme durch die EU-Mitgliedsstaaten und umfangreiche Ausnahmeregelungen vor.

Emissionsfreie Neubauten zwischen den Jahren 2028 und 2032

Ab 2028 sollen alle Neubauten als Nullemissionsgebäude realisiert werden und müssen damit nicht nur die hohen Anforderungen an die Energieeffizienz, sondern auch die klimaneutrale Energieversorgung erfüllen. Für den Neubau öffentlicher oder öffentlich genutzter Gebäude gilt die Regelung sogar schon ab 2026.

Sanierungspflicht für Bestandsgebäude

Bestandsgebäude müssen bis spätestens 2033 energieeffizient sein, um den gesetzlichen Mindestvorgaben zur Energieeffizienzklasse zu entsprechen. Dabei gilt folgender Fahrplan:

Wohngebäude:

bis 2030 mindestens Klasse E

bis 2033 mindestens Klasse D

Öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude:

bis 2027 mindestens Klasse E

bis 2033 mindestens Klasse D

Eine bessere Effizienzklasse lässt sich mit Sanierungsmaßnahmen, zum Beispiel durch eine bessere Wärmedämmung, den Austausch von Fenstern und Türen oder den Einbau von Solar- oder Lüftungsanlagen erreichen. Welche Maßnahmen im Einzelfall zielführend sind und welche Effizienzklasse mit möglichst wenig Aufwand erreichbar ist, erfahren Immobilienbesitzer in einer fachlichen Energieberatung.

Installation von Solaranlagen

Das neue EU-Gebäuderichtlinie Gesetz sieht auch eine stärkere Nutzung von Solarenergie vor. Bei der Konzeption von Neubauten ist demnach künftig das Potenzial zur Erzeugung von Solarenergie zu optimieren, um eine spätere kostengünstige Errichtung von Solaranlagen zu ermöglichen.

Die Installation einer Solaranlage soll verpflichtend sein, wenn dies im Einzelfall technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Dabei gelten folgende Fristen:

  • Zwei Jahre nach Inkrafttreten für neue öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude,
  • bis Ende 2026 für bestehende öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude,
  • bis Ende 2028 für neue Wohngebäude und überdachte Parkplätze sowie
  • bis Ende 2032 für Bestandsgebäude mit größerem Renovierungsbedarf.

Ausnahmeregelungen

Ausgenommen von den oben genannten Regelungen sind denkmalgeschützte Immobilien sowie unter Schutz stehende Objekte mit einem besonderen architektonischen oder historischen Wert. Technische Gebäude, vorübergehend genutzte Gebäude und Kirchen und Gotteshäuser sind ebenfalls nicht betroffen.

Einzelne Mitgliedsstaaten haben zudem die Möglichkeit, Sozialwohnungen, bei denen die Kosten der Umsetzung zu Mieterhöhungen führen würden, auszuschließen. Außerdem sollen Sonderregelungen in Hinsicht auf die Zielerreichung in Abhängigkeit davon möglich sein, ob Renovierungen wirtschaftlich und technisch realisierbar sind oder qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

„Quartiersansatz“ als Kompromiss

In Deutschland wird der sogenannte Quartiersansatz als Möglichkeit diskutiert, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen sozialer zu verteilen. Dabei senkt nicht jedes einzelne Gebäude den CO₂-Ausstoß, sondern es muss ein Gesamtziel für ein „Quartier“ also einen Stadtteil oder ein Dorf erreicht werden. Dies bedeutet, das Gebäude, die die Zielvorgaben übererfüllen, die schlechter klassifizierten Gebäude in einer Region ausgleichen können.

Die viel diskutierte EU-Novelle: Hohe Ausgaben und steigende Mietpreise erwartet

Laut Europäischer Kommission sind Gebäude in der EU zu 40 % für den Energieverbrauch und zu 36 % für die Emission von Treibhausgasen verantwortlich. Ein guter Grund, Energieeffizienzsteigerungen und den Ausbau erneuerbarer Energien an dieser Stelle voranzutreiben. Die EU-Richtlinie wird jedoch kontrovers von Politikern und Immobilienexperten diskutiert.

Das Programm schont nicht nur die Umwelt, sondern auch die Portemonnaies der Verbraucher. Laut einer Studie des Wuppertal Instituts wären mit einem Ausstieg aus Öl und Gas jährliche Kosteneinsparungen von mehr als 11 Milliarden Euro möglich. Hinzu kämen positive volkswirtschaftliche Effekte wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Millionenhöhe. Im aktuellen Umfeld zunehmender politischer Risiken ein weiteres, nicht zu vernachlässigendes Argument: Die wirtschaftliche Abhängigkeit Europas bei Energieversorgung und dadurch entstehende Versorgungsrisiken lassen sich dadurch effektiv reduzieren.

Für viele Immobilienbesitzer bedrohen die hohen Ausgaben aber auch die Wirtschaftlichkeit ihrer Immobilie. Vermieter müssten entweder die notwendigen Sanierungen in Kauf nehmen oder die Immobilie abstoßen. Die entstehenden Sanierungskosten dürften sich in höheren Mietpreisen in einem ohnehin angespannten Mietmarkt niederschlagen. Entscheiden sich dagegen viele Eigentümer für den Verkauf, könnte dies die Immobilienpreise in Deutschland unter Druck bringen. Eigenheimbesitzer mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten könnte das Vorhaben ohne angemessene staatliche Unterstützung an ihre finanziellen Grenzen bringen.

Hinzu kommt, dass viele Immobilienexperten Zweifel an der technischen und zeitlichen Realisierbarkeit der Vorgaben haben. Europaweit sind etwa 40 Millionen Immobilien betroffen. In Deutschland müssten in den ersten zwei Stufen zwei bis drei Millionen Objekte saniert werden. Bei Gebäuden der schlechtesten Effizienzklassen F und G wäre statt einer Sanierung ohnehin ein Neubau fällig. Die Baubranche verfüge nicht über genügend Kapazitäten, die Arbeiten im gesteckten Zeitrahmen zu erfüllen.

Fazit

Die neue EU-Gebäuderichtlinie zur Effizienzsteigerung bei Gebäuden ist eine lobenswerte, aber ambitionierte Initiative, um die europäischen Klimaziele zu erreichen und die CO₂-Belastung zu reduzieren. Für viele Immobilienbesitzer wäre die Umsetzung der Regelungen mit einem enormen finanziellen Aufwand verbunden, der gerade für einkommensschwächere Familien ohne staatliche Unterstützung schwer zu stemmen sein dürfte. Immobilienbesitzer haben jetzt aber noch keinen Grund zur Panik. Eine EU-weite Einigung ist erst ab Mitte 2023 zu erwarten. Erst dann ist klar, ob die Regelungen überhaupt wie geplant zum Tragen kommen. Verbindlich für Immobilienbesitzer wird die EU-Richtlinie dann, wenn Deutschland diese auf nationaler Ebene umgesetzt hat. 

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Thomas Brand

Thomas Brand

Thomas Brand ist seit Januar 2020 als Finanzierungsspezialist an Bord und seit knapp 20 Jahren begeistert für das Thema Immobilienfinanzierung. Seine Wurzeln liegen im genossenschaftlichen Bankensektor, in dem er das Immobilienkreditgeschäft von der Pike auf lernen durfte. Sein Ziel bei Plutos ist es, Kunden persönliche Nähe, einen vertrauensvollen Umgang & exzellenten Service - gepaart mit einfachen Finanzierungslösungen zu Top Konditionen - anzubieten.

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