Episode #056

EZB-Sitzung und Q2-Berichtssaison | Kai Heinrich im Interview

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Wie geht es mit der Inflation weiter? Und was kann aus einer Q2-Berichtssaison denn tatsächlich für die Zukunft rausgelesen werden? Diese und weitere Fragen beantwortet unser Vorstand Kai Heinrich, der am 21.07.22 erneut beim Börsenradio zu Gast war. Mehr dazu hier.

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Heute steht die EZB Sitzung mit aller Voraussicht nach der ersten Zinsanhebung seit einer gefühlten Ewigkeit an. Geben Sie mal einen Einblick, wie so ein Tag für Sie aussieht? Wie ist Ihre Gefühlslage?

Verrückterweise hat sie, auch wenn die EZB oder Notenbankenpolitik sehr interessant sind, keinen Hollywood Charakter, zumindest nicht für mich. Für uns ist es ein relativ normaler Tag. An den Börsen ist es tendenziell vor den Sitzungen immer ein bisschen ruhiger. Es hat natürlich immer mal Sitzungen mit Überraschungspotenzial gegeben. Generell hat der Markt schon eine Meinung zu dem, was passiert und meistens weicht die Notenbank auch nicht so stark davon ab, da man auch berechenbar sein will. Dazu gehören auch viele Kommentare, die im Vorfeld gestreut werden, sodass der Markt ein bisschen vorbereitet wird. Von daher heißt es für mich heute kein Popcorn und Notenbank Sitzung, sondern es ist relativ normal. Im Nachgang schaut man sich natürlich schon die Statements dazu an, aber es ändert auch an der langfristigen Strategie gar nicht so viel, da wir offensichtlich in einem Zinserhöhungszyklus sind. Daran wird auch die Sitzung nichts ändern, ganz im Gegenteil, man wird feststellen, dass es weiterhin in diese Richtung geht. Es waren spannende Sitzungen, bei denen zum ersten Mal die Zinswende kam, aber jetzt, wo man wieder im Lauf ist, ist es weniger spektakulär. Auch wenn die Notenbankpolitik eines der entscheidenden Kriterien ist für alles, was wir machen, wenn nicht sogar das entscheidende Kriterium.

Wie gut gefällt Ihnen die Berichtssaison?

Die Berichte der Unternehmen sind solide. Es ist weniger schlimm, wie man erwartet hatte. Trotzdem ist auffällig, dass auch wenn die Unternehmen gute Zahlen liefern, die Kurse oft danach nachgeben. Ich hatte in einer Statistik gelesen, dass über 60 % der Marktteilnehmer von einer Rezession ausgehen. Man sieht an den Unternehmenszahlen, dass es noch nicht so dramatisch ist. Aber die Börse spielt in der Zukunft, man sagt ja so, man ist sechs Monate voraus. Das ist das, was man versucht zu abstrahieren. Haben wir in sechs Monaten vielleicht eine schwerere Rezession? Generell würde ich sagen, dass wir eine wirtschaftliche Abschwächung sehen, genauso klar wie die Zinserhöhungstendenz. Dass die Notenbanken sich da öfter mal vergaloppiert haben, haben wir in der Vergangenheit, ich möchte an den Weihnachtscrash 2018 erinnern, auch gesehen. Der Markt hat schon viele Themen mit eingepreist. Am Ende wird die Frage sein, was die Notenbank macht, wie sich die Inflation weiterentwickelt? Sehen wir da einen Peak oder nicht? Wenn wir den nicht sehen, wird der Notenbank wenig anderes übrig bleiben, wie zu versuchen, weiter zu erhöhen. Ich wähle bewusst das Wort „versuchen“, denn die EZB hat es deutlich schwerer als die FED. Die EZB muss auf die verschiedenen Befindlichkeiten der Mitgliedsstaaten Rücksicht nehmen. Meine Basisthese ist: Die EZB kann sowieso nur bis zu einem gewissen Punkt erhöhen, weil ihr ansonsten der Laden um die Ohren fliegt.

Passt Ihr Zitat der letzten Interviews „Ich glaube, dass viele Werte, die gehypt waren, nicht mehr hochkommen. Denn trotz des Kursrückgangs sind diese in einer höheren Bewertung.“ zu Tesla?

Das Zitat gehypte Aktie passt auf jeden Fall zu Tesla. Man muss unterscheiden, es gab gehypte Aktien wie zum Beispiel Peloton mit Fitnessfahrrädern in der Pandemie, die waren sicherlich anders gehypt wie eine Tesla. Hier kann man sehen, dass das Unternehmen, das Pionier ist in einem Bereich und sehr innovativ ist, wo man mit Sicherheit auch eine gute Aktie hat, einfach in der Bewertung zu hoch war. Das war der zweite Teil meines Zitats, von daher würde ich sagen, man muss bei den Tech-Werten, auch bei denen, die mit hoch gehypt waren, unterscheiden. Muss es nur eine Bewertungsanpassung geben, dann geht so eine Aktie runter, läuft mal eine Zeit lang seitwärts. Wenn die Zahlen sich immer weiter verbessern, wächst das mit in die Bewertung ein und dann ist sie irgendwann auch wieder interessant. Oder sind das Unternehmen, die gar nicht in ihre Bewertung reinwachsen können? Bei einer Tesla, mir geht es wahrscheinlich wie den meisten Finanzmarktteilnehmern, habe ich immer gesagt, die sind so teuer und die Aktie hat sich dann trotzdem verdoppelt und nochmal verdoppelt. Jetzt sind wir in einer Phase, in der sich das Ganze setzt. Generell haben sie ein gutes Geschäftsmodell, sie haben einen sehr speziellen Hauptaktionär, der die Märkte auch mal in Atem hält mit seinen Eskapaden. Bei dem Wachstum, das die Aktie hat, würden sie generell auch in die Bewertung mit reinwachsen. Tesla ist schon eine Aktie, die nicht 80 % oder 90 % abstürzen wird. Da gibt es andere Unternehmen, auf die das eher zutrifft.

Was kann man aus einer Q2-Berichtssaison denn tatsächlich rauslesen für die Zukunft bzw. die aktuelle Lage?

Bei der ganzen Inflationsdiskussion können die Unternehmen Preise erhöhen. Tesla kann das offensichtlich, das hat natürlich einen positiven Impact auf die Ergebnisse. Wir haben das in der Vergangenheit bei deutschen Automobilherstellern auch gesehen, es werden zwar weniger Autos verkauft, aber mehr Umsatz wird erzielt. Das hat damit zu tun, dass das Gut knapp ist und die Leute bereit sind, höhere Preise zu bezahlen. Es geht nicht nur um die Umsätze, sondern auch die Gewinnmargen. Das ist das nächste Thema. Das haben wir bei einigen Konsumgütern, dass die Gewinnmargen geschrumpft sind, weil die Vorprodukte teurer waren. Man kann daraus lernen, dass die Welt nicht so schwarz ist, wie sie zwischendrin gemalt worden ist, dass der Markt vorsichtig ist, aber die Ergebnisse auch nicht erodiert sind, das kann man glaube ich schon sagen. Am Ende ist bei Unternehmen bei inflationärem Szenario entscheidend, ob sie in der Lage sind, die Preise weiter zu geben an den Konsumenten. Wenn die Unternehmen in der Lage sind, muss man nicht ganz so ein großes Drama befürchten. Allerdings muss man auch die Frage stellen: Wie lange ist der Konsument in der Lage, die höheren Preise zu zahlen? Das wird auch unterschiedlich sein, schlicht und ergreifend nach den jeweiligen Produkten. Leute, die sehr viel Geld haben, werden in der Lage sein, auch höhere Preise zu bezahlen. Wenn es Produkte sind, die primär die Mittelschicht betreffen, wird es für diese Unternehmen schwieriger sein, da es in einem inflationären Szenario für die Mittelschicht auch schnell enger wird.

Es wird schon gesagt, der Inflationspeak könnte bald erreicht sein. Das heißt ja aber auch nicht, dass die Preise sinken.

Man muss sich natürlich die Frage stellen, was heißt es eigentlich? Und schlussendlich, selbst wenn die Inflation bei 7 % oder 8 % oder 4 % oder 5 % liegt, ist es faktisch keine Geldwertstabilität. Vor allem wenn der Zins bei 2 % oder 3 % ist, habe ich einen negativen Realzins. Die Inflation kommt aus mehreren Komponenten. Einige von denen werden sich entspannen, andere wiederum nicht. Ich würde einfach eine Gegenfrage stellen, ein bisschen provokant auch: Wollen die handelnden Personen die Inflation überhaupt in den Griff bekommen? Sie ist die bequemste Variante, sich zu entschulden. Eine Entschuldung ist in der Historie auf wenigen Wegen nur geschehen, entweder war der Staat bankrott oder es gab eine Inflation. Dass ein Staat seine Schulden zurückbezahlt hat, ich bin mir nicht sicher, ob das mal in der Geschichte passiert ist, ich bin der Meinung aber nicht. Jetzt ist die Inflation mit Sicherheit zu hoch, weil es für den Normalbürger Einflüsse hat, die sich irgendwann auch in Wahlen und in sozialem Sprengstoff bemerkbar machen. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ob man da wirklich dagegen ist, da würde ich ein ganz großes Fragezeichen ran machen. Es würde für den Staat, die Regierungen, ich rede nicht nur von Deutschland, einige Probleme lösen. Das ist am Ende die Basis für die Inflation trotz aller Lieferkettenschwierigkeiten und steigender Energiepreise, was aufgrund des Russland-Ukraine-Konfliktes entstanden ist. Die Basis für Inflation ist immer zu viel gedrucktes Geld, das haben wir seit der Finanzkrise sehr, sehr intensiv gemacht. Genau genommen hat das in den USA schon 1987 angefangen, nach dem großen Börsen-Crash. Man kann sich die Bilanzen der EZB und FED anschauen. Der Markt ist geflutet mit Geld und es gab ganz viele, die haben über Jahre gesagt, dass das irgendwann inflationäre Auswirkungen hat. Die sind oft belächelt worden, man hat da ganz neue Geld-Theorien angeführt. Rückblickend kann gesagt werden, dass es einen Trigger gebraucht hat, damit es wirksam ist. Am Ende ist es relativ simpel. Haben Sie sehr viel mehr Geld wie Güter, dann haben Sie irgendwann eine Inflation.

Was hilft bei einer Inflation? Gold?

Der Goldpreis ist in dem inflationären Szenario schon enttäuschend, das kann man durchaus so sagen. Auf der anderen Seite ist es so, wenn Sie heute als Euro-Anleger physisches Gold hatten, dann war es in diesem Jahr nicht das schlechteste Investment. Auch wenn Sie keine großen Kurssteigerungen hatten, haben Sie kein Geld verloren. Das zeigt, dass wir da zumindest eine gewisse Stabilität haben. Ich bleibe bei meiner These, dass ein gewisser Goldanteil in ein größeres Vermögen gehört, auch wenn wir nicht den Hedge, die Absicherung in dem Jahr für den Aktienpart dadurch hatten, also sprich, dass ein Goldanstieg Verluste kompensiert hätte, die auf der Aktienseite entstanden sind. Auf der anderen Seite ist der Part, der in Gold ist, relativ stabil. Und das ist im Jahr 2022 auch schon mal was wert.

Sie hatten im letzten Gespräch gesagt, dass es schwierig ist als Vermögensverwalter, Krypto mit in die Kundenportfolios aufzunehmen. Ändert sich das irgendwann, denn Kryptos scheinen sich als Anlageklasse zu etablieren.

Ich bin überzeugt davon, dass das so ist. Ich glaube auch, dass es bei dem Niveau, wo wir uns bewegen, um 20.000, unter 20.000 interessant ist, mal den Zeh ins Wasser zu stecken. Auf der anderen Seite gibt es für Vermögensverwalter, für professionelle Investoren immer noch große Themen in der Abwicklung und in der Verwahrung. Hier müssen einige technische Voraussetzungen noch geschaffen werden. Ähnlich wie mit dem Gold, ist es am Ende so, wenn Sie eine gewisse prozentuale Beimischung haben, verbessert das zumindest nach diversen Statistiken Ihr Risikoprofil. Man kann durchaus zwischen 1-4 % Kryptowährungen im Portfolio halten. Das noch versehen mit ein bisschen Markttiming ist, glaube ich, kein schlechtes Investment auf eine mittlere bis längere Sicht. Wir sehen es aber in diesem Jahr, wenn Sie bei 50.000 oder 40.000 gekauft haben und es wird halbiert, haben Sie mit Ihren Kunden auch Diskussionen. Auf der anderen Seite haben Sie das auch bei manchen Aktien. Da das Thema Krypto aber für viele Privatanleger tatsächlich noch ein bisschen fremd ist, wird es eine gewisse Weile brauchen, bis es sich wirklich etabliert hat, wie die anderen Anlageklassen. Wir beschäftigen uns mit dem Thema, ich finde die Technik, die darunter liegt, spannend. Wir haben in der Vergangenheit oft gesehen, es gibt einen Schub, dann gibt es einen Crash und aus den Trümmern dieses Crashs gibt es einige Investitionsmöglichkeiten, die auf eine mittlere bis lange Sicht interessant sind. So könnte ich mir das durchaus auch bei Krypto vorstellen.

Bei interessanten Investments hatten Sie beim letzten Mal Rohstoffe, zum Beispiel Freeport und beim Ölpreis eher Zulieferer genannt. Bleibt es bei diesen Favoriten?

Bei der Freeport habe ich ja erstmal schief gelegen, die Entwicklungen waren in den letzten Monaten nicht gut, da wir ein Rezessionsszenario gespielt haben. Bei den Energiewerten bleibe ich bei der Sache dabei. Die Freeport sind bei uns zwischendurch über Stop-Loss rausgeflogen. Da müssen wir schauen, dass wir eine relative Stärke aufbauen. Denn generell glaube ich schon, dass man in dem Bereich investiert sein muss. Die Rohstoffaktien waren in den letzten Wochen eher eine Enttäuschung. Positionen, die wir momentan haben und die ich interessant finde, sind im Telekommunikationssektor, wo wir einen guten Preissetzungsspielraum haben. Wir haben einiges in Pharmawerten, es sind auch viele Versorger interessant. Das sind alles defensive Branchen, die für so ein schwieriges Umfeld passend sind. Bei den Rohstoffwerten bin ich mittelfristig auch noch überzeugt, da war die kurzfristige Markt-Technik einfach nicht gut. In den Ölwerten bin ich noch, bei den anderen Sachen lauer ich wieder auf einen Einstieg. Der Rest, und jetzt sind wir beim Anfang von unserem Gespräch, hängt ein bisschen von der Notenbank ab. Ob die großen und mittleren Techs wieder eine Auferstehung erleben, hat schon mit der Zinspolitik zu tun. Das gilt auch im weitesten Sinne für die Kryptowährungen, weil sie eine relativ hohe Korrelation zur Nasdaq in den letzten Monaten hatten. Von daher würde ich sagen, dass die Favoriten relativ ähnlich geblieben sind. Rohstoffaktien finde ich weiter interessant, insbesondere in einem inflationären Umfeld. Es gibt jedoch nichts, was einfach immer funktioniert, deswegen arbeiten wird mit Stop-Loss. Bei der Freeport, wo ich das Unternehmen toll finde, da ich auch von dem Kupferthema überzeugt bin, habe ich trotzdem verkaufen müssen, weil die Risiko-Parameter erreicht waren.

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