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Wenn heute mit den Anlegern über Skandale des vergangenen Jahrzehnts gesprochen wird, fallen mit großer Wahrscheinlichkeit die Begriffe „Wirecard“ und „Bilanzfälschung“. Binnen weniger Tage wurden 9 Mrd. Euro an Kapital und Börsenwert vernichtet.
Wenn wir uns genauer mit der Thematik beschäftigen und das Geschäftsmodell verstehen, fällt auf, dass nicht nur viel weniger Geld da ist als gedacht, sondern auch das Geschäftsmodell aktiv gefährdet ist. Das Geld sollte auf sogenannten Treuhandkonten liegen und wie wir später verstehen werden, sind diese essenziell für das Geschäft des ehemaligen Zahlungsabwicklers.
Das Unternehmen Wirecard wurde 1999 gegründet und hatte seinen Hauptsitz in Aschheim in der Nähe von München. Dort und an vielen weiteren Standorten auf der ganzen Welt beschäftigte das Unternehmen 5800 Mitarbeiter. Die Tätigkeit umfasste anfänglich die Zahlungsabwicklung von Porno- und Glücksspiel-Internetseiten.
Mit der erworbenen Banklizenz baute Markus Braun, damaliger Vorstand der Wirecard AG, das Unternehmen strategisch um, sodass der Konzern im September 2018 in den DAX aufsteigen konnte.
Generell beschäftige sich Wirecard damit, Transaktionen für Zahlungsströme in Milliardenhöhe bargeldlos zwischen Händlern und Kunden zu tätigen. Wenn also im Einkaufsladen oder Internet eine Transaktion getätigt wurde, stellte Wirecard sicher, dass das Geld auch ankam. Mit den Gebühren für diese Transaktionen verdiente Wirecard dann schlussendlich Geld. Um dieses Geschäft zu vollziehen, benötigte das Unternehmen Treuhandkonten, welche eine Art von Versicherung für die Händler darstellten.
Die zuvor genannten Treuhandkonten waren auf verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt zu führen, unabhängig davon, ob eigene Banklizenzen gehalten wurden oder nicht. Demnach also auch in Asien, wofür die Gelder zuerst in Singapur und dann auf den Philippinen lagen. Auf den Konten sollten 1,9 Mrd. Euro liegen, wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zum damaligen Zeitpunkt bestätigte und Wirecard somit auch in der Bilanz auswies. Erst später waren „Unregelmäßigkeiten“ zu erkennen, die am Ende zu der Erkenntnis geführt haben, dass das Geld nicht da war. Dies war der Anfang eines riesigen Skandals!
Getrieben wurde die Aufdeckung des Skandals von zahlreichen Zeitungsartikeln der Financial Times. Dabei soll es eine ganze Bandbreite von Vorwürfen gegeben haben. Von Geldwäsche bis hin zu Bilanzfälschungen war alles an Kriminalität dabei. Seitens der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) gab es erst einmal Unterstützung für das Unternehmen, indem sie den britischen Zeitungsverlag mehrfach verklagte. Mit zunehmendem Widerstand erhob die BaFin sogar ein Verbot für Leerverkäufe, mithilfe derer Anleger auf den Verfall der Aktien setzen konnten.
Das Unternehmen ist weiterhin negativ durch zahlreiche Verschiebungen der Bilanzvorlage und Ad-hoc-Mittleilungen aufgefallen, wonach die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY fehlende Belege und mangelnde Beweise zu bestimmten Treuhandkonten beklagte.
Am 18.06.2020 war dann der Höhepunkt des Skandals. EY informierte darüber, dass es keine Nachweise über die Existenz von 1,9 Mrd. Euro gab, was damals 25 % der Bilanzsumme entsprach. Weiterhin teilte EY mit, dass hier eventuell eine Täuschung vorliegen könnte. Das Papier brach daraufhin massiv zusammen und verlor in der Spitze mehr als 66 %. Gleichzeitig stellte das Unternehmen noch Strafanzeige gegen Unbekannt mit der Begründung, Opfer eines gigantischen Betruges zu sein.
Die Anteilsscheine von Wirecard sind stand jetzt nichts mehr wert und wurden auch von den meisten Börsen heruntergenommen, sodass sie nicht mehr gehandelt werden konnten. Wer seine Anteile bis zum letzten Handelstag gehalten hat, hat weniger als einen Euro dafür bekommen. Nach wenigen Tagen hatte das Papier schon über 90 % an Wert verloren.
Aktuell bleibt für die Anleger nach dem Riesenskandal kaum etwas übrig. Gelder für Aktien werden in der Bilanz als Eigenkapital ausgewiesen, daher besteht lediglich ein Restbetragsanspruch, während es sich beim Fremdkapital, was zum Beispiel Anleihen wären, um einen Festbetragsanspruch handelt. Das, was von der Wirecard AG also übriggeblieben ist, geht mehrheitlich an Fremdkapitalgeber wie zum Beispiel Banken.
Schadensersatz kann aktuell theoretisch von drei Parteien gefordert werden. Hierfür wären Klagen gegen diese Parteien notwendig. Als erstes wäre hier die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu nennen, welche ihrer Aufgabe als Überwachungsorgan nicht nachgekommen ist. Außerdem gegen den Wirtschaftsprüfer EY, der durch eine mangelhafte Prüfung der Bilanz einen Liquiditätsbestand von 1,9 Mrd. Euro bestätigt hat, der nicht vorhanden war. Zudem hat der Aufsichtsrat der Gesellschaft seine Aufgabe als Überwachungsorgan des Vorstands nicht angemessen erfüllt. Die Frage, die bleibt ist, ob diese Ansprüche in der Praxis gegen die drei Parteien durchgesetzt werden können.
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