Episode #035

Geldanlage in unruhigen Zeiten | Börsenradio Interview | Kai Heinrich |

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Kai Heinrich, Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG wurde vom Börsenradio interviewt. Er erklärt die Geldanlage in unruhigen Zeiten. Thema ist auch hier die aktuelle Ukraine-Krise. Viel Spaß beim Hören!

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Wie reagiert die Börse auf die Spannungen in der Ukraine?

Technisch betrachtet pendeln wir zur Zeit um die relevante Marke von 14.800, was aus chart-technischer Sicht sozusagen die Stop-Loss-Marke für den DAX wäre. Mit der Rede von Herrn Putin sind wir unter diese Marke gerutscht und interessanterweise waren wir am Tag danach wieder nahe dran. Entschieden ist da aber noch nichts. Im Moment nimmt es die Börse, das haben wir gestern insbesondere in den USA gesehen, noch mit einer relativen Gelassenheit, da aufgrund der Reaktion Putins bisher noch keine scharfen Sanktionen seitens den USA oder Europa gekommen sind. Das ganze Thema Sanktionen ist im Moment noch sehr isoliert, primär für die besetzten Gebiete in der Ost-Ukraine. Wie kann man sich das herleiten? Es gibt ja durchaus die Erkenntnis, dass russische Truppen in diesen beiden Gebieten schon in den letzten Jahren aktiv waren und Putin den faktischen Stand nun öffentlich gemacht hat. Die diplomatische Tür ist im Moment noch offen. Wir könnten es damit vergleichen: In den 50er / 60er-Jahren gab es Filme, in denen zwei Autos aufeinander zufahren und darauf warten, dass der jeweils andere zuerst ausweicht. Laut Herrn Heinrich passiert dies gerade zwischen Russland und der restlichen Welt.

Funktioniert ein Trendfolgeansatz in solchen Zeiten?

Generell ist es so, dass Märkte, die in einem Seitwärtstrend laufen, natürlich ein Graus für Trendfolger sind. Außerdem haben wir die Situation, dass der Markt, wenn auch auf einem hohen Niveau, in einem Seitwärtstrend verläuft. Allerdings ist es einfach noch nicht final entschieden, ob er den Aufwärtstrend wieder aufnimmt oder ob die exogenen Schocks, und hierzu ist neben Russland auch das ganze Thema Zinserhöhungen hinzuzählen, dazu führen, dass die Börse von einer Korrektur in einen Bärmarkt übergeht. Dies ist im Moment jedoch noch nicht klar. Die Auswirkungen dessen, was da jetzt passiert, für die Weltwirtschaft oder auch für die Börse, zeichnen sich ja in kleinen Bereichen schon ab. Des Weiteren haben wir aktuell einen sehr strammen Ölpreis, die Ölaktien sind ebenfalls gestiegen. Darüber hinaus läuft es auch für andere Rohstoffwerte sehr positiv. Auf der anderen Seite haben wir Werte, die aufgrund der Zinsen nicht stabil durchfinanziert sind, in einem Rückgang gehabt. Wir haben Unternehmen, die einen größeren Anteil am Russland-Geschäft haben und davon negativ betroffen waren. Hier zeigt sich also schon in den ersten Zügen, wie es aussehen könnte, wenn sich das Ganze noch mehr verschärft. Generell ist es jedoch einfach noch nicht klar.

Ist eine Änderung der Strategie oder Allokation nötig?

Die Plutos Vermögensverwaltung AG hat im Januar schon einen kleinen Bereich im Segment Öl und Rohstoffe aufgebaut, was in der aktuellen Situation wie eine kleine Absicherung oder ein kleiner Hedge funktioniert. Wir haben die Aktienquoten seit Ende Januar zurückgenommen, um handlungsfähig zu sein. Jedoch muss man nicht seine komplette Anlagestrategie nach Herrn Putin ausrichten. Es gibt relativ starke Marktpreise und relativ schwache. Die relativ starken sind im Moment die Rohstoffe- und Ölwerte, zum Teil auch die Finanzwerte, letztere allerdings aufgrund der Thematik der Zinserhöhung. Dies sind Segmente, in die wir jetzt verstärkt investiert haben. Allerdings ist so ein Favoriten- oder Branchenwechsel natürlich immer schmerzhaft, weil die jeweiligen Segmente am Anfang erst einmal ein Stück runtergehen bis sie realisieren, was passiert ist. Die Portfolios der Plutos Vermögensverwaltung AG wurden jetzt schon zum Teil umpositioniert, ohne jedoch zu einseitig aufgestellt zu sein, denn wir wollen ja nicht wetten.

Ist es sinnvoll jetzt den Fokus auf Rohstoffaktien zu legen?

Man muss jetzt einfach mal abwarten. Auf der anderen Seite hat der Ölpreis auf die Rede von Putin fast gar nicht reagiert. Eigentlich hätte man erwarten können, dass der Ölpreis nach so einer Kampfrede deutlich über 100 Dollar springt. Dies ist ja nicht passiert, im Gegenteil. Der Ölpreis war sogar tendenziell schwächer, d.h. wir haben einiges an Risiko vorweggenommen und es gibt auch einfach ein paar andere Komponenten, die noch eine Rolle spielen. Die Frage ist beispielsweise, ob sich die USA und der Iran einigen werden. Gibt es da wieder Förderkapazitäten oder nicht? Und wie weit verschärft sich die Situation? Wenn wir in einen wirklichen Konflikt geraten, dann steigt der Ölpreis mit Sicherheit 20 bis 25 Dollar höher und das mit dem entsprechenden Impact auf die jeweiligen Aktien. Andererseits ist es momentan ein sehr Nachrichten-getriebener Markt. Demnach ist es gut, den Fuß bei einem Segment in der Tür zu haben, jedoch sollte man jetzt nicht 25 % an Ölaktien kaufen. (A) sind die schon sehr gut gelaufen, weit von der 200-Tage-Linie weg und (B) mit jeder Entspannung kriegen sie Druck auf die Kurse. Im Moment herrscht einfach eine gewisse Ausgeglichenheit im Portfolio, es soll eine gewisse Liquidität gehalten werden, sodass man kurzfristig reagieren kann. Insgesamt soll die Einstellung jedoch auch nicht zu negativ sein, denn es gibt zwar einen kurzen Schock, dann sortiert sich der Markt allerdings wieder. Bezüglich der Ölpreise hatten wir die Situation ja bereits in den 2000ern und da ist die Börse auch gelaufen.

Lohnen sich Gold- und Goldminenaktien zur Absicherung in Krisenzeiten wie diesen?

Ja, sie sind immer Thema. Allerdings mit Blick in die Vergangenheit eher aufgrund der Geldentwertung. Hier hätten wir eigentlich aktuell ein perfektes Umfeld für Gold. Dafür ist die Entwicklung des Goldpreises und der Minen tendenziell eigentlich zu schwach. Jedoch haben wir bei den großen Minen in der letzten Woche Kaufsignale gesehen. Jetzt müssen wir mal schauen, inwiefern das weiter geht. In einem Umfeld mit einem hohen negativen Realzins, den wir ja ohne Zweifel haben, bzw. einer hohen Inflationsrate geht die Inflation bestimmt nicht einfach wieder weg. Wir werden uns wahrscheinlich auf einem relativ hohen Niveau stabilisieren, was eigentlich ein gutes Umfeld für Gold und Goldminen ist. In der letzten Woche konnte ein erstes Aufflackern gesehen werden, das auf einen möglichen Beginn einer relativen Stärke der Goldminenaktien hindeutet, jedoch kann die Plutos Vermögensverwaltung AG bisher nicht für sich verbuchen, dass der Rahmen dafür gesorgt hätte, dass es in den letzten Monaten ein super Investment gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, für den Rahmen haben die Goldwerte bisher eigentlich erst einmal enttäuscht.

Was bedeutet eine Inflation in der Größenordnung, wie wir sie gerade erleben?

Das ist schwierig zu beantworten. Wir werden vermutlich generell nicht den Fall haben, dass die Preise einfach runtergehen und das war’s. Stattdessen haben wir mehrere Komponenten. Aktuell besteht die Situation, dass wir auch aufgrund der Corona-Pandemie mit gestörten Lieferketten und einem gestörten Nachfrageverhalten einfach das Thema haben, dass in den letzten Jahren auch in Minengesellschaften wenig investiert worden ist. Bei den Ölwerten geht es ja noch weiter, weil viele Ölunternehmen in der Umstellung hin zu „Grün“ sind, also hat man da nicht mehr so massiv in neue Fördervorkommen investiert, jedoch wird die Nachfrage ohne Zweifel noch einige Jahre hoch bleiben. D.h. unabhängig von dem Ukraine-Konflikt ist die Frage, ob die Rohstoffpreise runtergehen, wovon nicht ausgegangen werden kann. Dazu kommt, dass wir vermutlich Zweitrundeneffekte sehen werden, im Sinne von Lohnerhöhungen. Jeder Arbeitnehmer, der jetzt nochmal einkaufen oder an die Tankstelle fährt, stellt ja nun fest, dass deutlich weniger im Portemonnaie zurückbleibt als vorher und dies wird sich auch bei den Verhandlungen mit den Arbeitgebern bemerkbar machen. Diesen Schub haben wir noch vor uns und von daher ist es schwierig zu sagen, ob das Niveau von 5 % Inflation erreicht wird. Allerdings werden wir auf keinen Fall in die alte Welt zurückkommen, in der die EZB gerne eine Inflation von um die 2 oder über 2 % gehabt hätte. Dies passiert von selbst, da muss sie sich keine Gedanken mehr machen. Wahrscheinlich werden wir uns in der nächsten Zeit irgendwo zwischen 3 und 6 % bewegen.

Wenn die Inflation nicht temporär ist, sondern länger anhält, gerät dann die EZB mächtig unter Zugzwang?

Wenn man sich die handelnden Personen bei der EZB anschaut, kann man nicht davon ausgehen, dass sich die Geldwertstabilität in den Vordergrund stellen wird. Die Frage ist, wie gut können es die hochverschuldeten EU-Staaten aushalten, wenn die Zinsen steigen. Vermutlich nicht besonders gut. Man wird vielleicht den einen oder anderen symbolischen Schritt gehen, aber dies wird mit weniger Stringenz geschehen als es in den USA der Fall ist und selbst diese tut sich enorm schwer. Es ist ein Stück weit politisch geprägt, dass jetzt auch Druck über den Präsidenten, weil ja jetzt Zwischenwahlen in den USA anstehen, und auch über die FED kommt. Diesen Sachverhalt gibt es so nicht. Ganz im Gegenteil, hier wird von den meisten Regierungen in Europa der Druck in Richtung EZB gegeben, die Zinsen nicht zu schnell zu erhöhen, daher eine symbolische Erhöhung. Aber die Frage ist, wenn der Zinssatz bei der Preissteigerung um 25 oder 50 Basispunkte erhöht wird, ob das dann die Problemlösung ist. Hier ist von einer mittelfristigen höheren Inflation auszugehen.

Sehen sie bessere Chancen bei europäischen Aktien?

Das muss man ein bisschen einschränken, denn hier kommt es darauf an. Laut Herrn Heinrich haben wir hier in Europa einen deutlich größeren Einfluss. Die USA haben einfach den Vorteil, dass sie weiter weg vom Ort des Geschehens sind. Sie haben auch nicht diesen hässlichen Impact, was die Energiepreise angeht. Generell bleibt die Aussage bestehen, jedoch mit der Einschränkung, dass wenn sich der Ukraine-Russland-Konflikt wirklich verschärft, dann wird das eine Belastung für europäische Unternehmen sein, was wahrscheinlich den Liquiditätsvorteil aushebelt. Übrigens haben wir das ja auch schon ein bisschen gesehen, von der Nasdaq mal abgesehen. Beispiele sind hier der Dow Jones oder der S&P, die beiden Indizes haben ein deutliches Stück stabiler reagiert als die europäischen Indizes.

Wie stellen sie sich in dem aktuellen Umfeld auf?

Die Plutos Vermögensverwaltung AG hat ungefähr eine Liquiditätsquote in der Größenordnung von 10 bis 20 %. Wir haben etwa, je nach Portfolio, zwischen 10 und 15 % Ölwerte, Goldwerte und Rohstoffaktien und den restlichen Anteil haben wir aktuell primär in defensiven Dividendenaktien. Beigemischt dazu ist der ein oder andere große Tech aber auch nicht mehr übergewichtet, weil dieses positive Momentum raus ist. Außerdem ist beispielsweise noch eine Apple im Portfolio. Und so hoffen wir, dass wir gut über die nächsten Wochen kommen.

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