Episode #050

Aktuelle Börsensituation und verschiedene Anlageklassen | Kai Heinrich im Interview

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Wie lässt sich die momentane Börsensituation einordnen? Wie verhalten sich die verschiedenen Anlageklassen? Mehr dazu im Interview mit Kai Heinrich, Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG.

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Wie würden Sie die Börsen momentan einordnen?

Der Markt war nach einer Verlustserie von über sechs Wochen definitiv reif für eine Erholung. Die hat letzte Woche begonnen. Nun muss man schauen, wie weit diese geht. Die so genannten Stimmungsindikatoren, wie beispielsweise der Fear & Greed Index sind immer noch deutlich im negativen Bereich, die Erholung hat also definitiv noch Luft. Ich kann die These aber noch nicht ganz teilen, dass es das jetzt schon gewesen ist, dafür gibt es aus meiner Sicht zu viele Belastungsfaktoren. Stand jetzt würde ich sagen, geht die Erholung bis in den Sommer rein und danach frei nach unserem Fußball Kaiser, da schauen wir mal.

Sind wir dann bald schon im Sommerloch?

Ich könnte mir vorstellen, dass wenn wir jetzt eine Erholung kriegen Ende Juni/Anfang Juli, dass wir dann ein bisschen in einen breiten Seitwärtstrend kommen. Dann fällt so eine Entscheidung, ob wir die Tiefs noch mal sehen oder neue Tiefs im Spätsommer/Herbst kommen. Ich glaube, der Markt ist in einer Findungsphase, einer Bodenbildungsphase. Vielleicht sind wir die Bodenbildungsphasen, also längere Zeiträume, in denen der Markt einen Kursrückgang verarbeitet, gar nicht mehr gewohnt. Denn bei den Krisen der letzten Jahre war es immer so, dass aufgrund der vielen Liquidität, die in der Krise in den Markt gegeben wurde, dieses Phänomen der V-Erholung zu einem Gefühl des Standards wurde, wie auch in dem Corona-Crash. Das bedeutet, es ging sehr schnell runter, dann reagierte irgendwann die Notenbank und dann ging es sehr schnell wieder hoch. Aus früheren Jahrzehnten kennt man das ja eigentlich, der Markt stürzt ab, dann ist man in einer Findungsphase, in der man auf einem niedrigen bis mittelhohen Niveau versucht auf zu pendeln, wie denn eigentlich die Fakten sind. Dann klettert es so nach und nach wieder hoch. Das hatten wir weder 2020 noch 2018 bei dem Fed-Crash im vierten Quartal, noch bei dem China-Crash Anfang Januar 2016. Es waren immer sehr schnelle Bewegungen runter und sehr schnelle Bewegungen hoch. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dieses Mal aufgrund der veränderten Notenbankpolitik ein anderes Verhalten sehen werden. Man muss auf die Indikatoren schauen, man muss auf die Marktstimmung schauen und dann wird man über die nächsten Monate sehen, ob es dieses Mal anders ist wie in den Krisen seit der Finanzkrise.

Was halten Sie von Tech-Aktien?

Ich glaube, dass viele Tech-Werte, die im letzten Jahr gehypt waren, auch nicht mehr richtig hochkommen, weil sie trotz des Kursrückgangs immer noch in einer höheren Bewertung sind und mit der Zinssituation zu kämpfen haben. Auf der anderen Seite gibt es Tech-Unternehmen mit extrem attraktiven Geschäftsmodellen, die jetzt schon auf einem Bewertungsniveau sind, welches attraktiv hinzuschauen ist. Ich glaube, so wie der Markt nach oben übertrieben hat, wird er auch in einzelnen Bereichen nach unten übertreiben. Nichtsdestotrotz gibt es einige Unternehmen im Tech-Bereich, die sehr solide Geschäftsmodelle haben und wo die Bewertungen zum Teil niedriger sind wie bei defensiven Aktien, obwohl diese Unternehmen viel mehr Wachstum haben. Das kann schon spannend sein, die kleinen, mittleren Highflyer, die da gepusht waren. Ich denke, das sind eher Zock-Trades, aber keine Investments.

Was halten Sie von Gold?

Gold ist bei mir immer eine schwierige Frage, weil ich schon ein bisschen ein Goldbulle in den letzten Jahren gewesen bin, gerade wegen der Notenbankpolitik. Ich würde sagen, Gold hat meine Erwartungen nicht erfüllt, ich hätte es gerne mehr im Plus gesehen für die hohe Inflationsrate, für die ganzen Unwillen, die wir an den Märkten hatten. Es war trotzdem Depotstabilisator, weil sie sind im physischen Gold im Euro im Plus, vielleicht nicht so viel, wie man es gerne hätte, aber sie sind es. Wenn wir das mit anderen Marktsegmenten vergleichen, haben sie schon eine gewisse Stabilität im Depot gebracht. Die Aussicht für Gold hängt an der Frage, wie man das Thema Inflation und Zinsentwicklung sieht. Ich glaube nicht, dass wir nachhaltig die Zinsen deutlich erhöhen werden. Ich glaube, wir sind in einer Phase, die noch ein bisschen geht, da die Notenbanken aufgrund der Inflationszahlen unter Druck sind. Es kamen die ersten Äußerungen von der amerikanischen Notenbank, wo man lustigerweise mit Zinssenkungen für 2023 ein bisschen philosophiert hat. Von daher glaube ich, dass in einer Welt, in der Währungen immer weniger wert werden, es wertvoll ist, Gold zu haben.

Was halten Sie von Rohstoff-Aktien?

Interessant je nach Unternehmen, je nach Bereich. Wir werden aufgrund dessen, dass da viel zu wenig investiert worden ist im letzten Jahrzehnt, wahrscheinlich keine schnelle Aufholung der Angebotslücke sehen. Es könnte ein Problem für diese Unternehmen geben, wenn wir aufgrund der Gesamtsituation wirklich in eine längere Rezession gehen. Dann hätten wir auf der Nachfrageseite eher eine Schwäche. Ich denke aber, viele Rohstoffe sind auf einem vernünftigen Bewertungsniveau. Wenn man in die Vergangenheit reinschaut, waren Rohstoff-Aktien in Zeiten höherer Inflation ein gutes Investment. Allerdings muss man eine extrem hohe Volatilität aushalten können. Es gibt ein Unternehmen, was mir beispielsweise, auch wenn die technisch mittlerweile ein bisschen angeschlagen ausschauen, ganz gut gefällt. Das ist Freeport, der größte Kupfer Produzent der Welt. Für alles, was Sie zum Thema Nachhaltigkeit machen, benötigen Sie auch einen entsprechenden Kupferanteil. Allein darüber wird eine entsprechende Nachfrage gesteuert und im Öl-Bereich gibt es auch die ein oder andere Aktie, die interessant ist. Von den Bewertungen, von den Dividenden her wäre für mich auf jeden Fall eine Beimischung in dem aktuellen Umfeld sinnvoll.

Was halten Sie von dem Ölpreis und der Entwicklung von Öl-Aktien?

Bei dem Ölpreis ist natürlich die Frage, welcher Anteil ist rein politisch. Der Ölpreis ist einfach sehr politisch geprägt. Es ist kein reines Angebot und Nachfrage Thema insbesondere im Moment. Ich denke aber, wir werden eine Phase sehen mit höheren Ölpreisen wie in den zwei, drei Jahren davor. Letztes Jahr waren die Öl-Unternehmen auf einem sehr billigen Niveau, das ist jetzt nicht mehr ganz so. Sie haben schon eine ordentliche Kursentwicklung gemacht. Energie ist einer der wenigen Sektoren, die im Plus sind dieses Jahr. Nichtsdestotrotz finde ich das Segment noch interessant, wobei man vielleicht eher bei den konservativen Kunden die Großölwerte, aber bei demjenigen, der vielleicht auch ein bisschen spekulativer ist, eher lieber die Zuliefererbetriebe beziehungsweise die Förderer nimmt. Ich denke, die großen Ölkonzerne werden bei diesem Preis auch wieder mehr investieren und die, die in der zweiten Reihe dann kommen, stellen die Technik zur Verfügung. Ich halte das schon für interessant, aber ich glaube, dass es das „leichte Geld“ ist für die in den letzten sechs bis sieben Monaten.

Was halten Sie von Anleihen?

Das ist eine undankbare Frage. Auf der einen Seite brauchen wir in einigen Portfolien natürlich Renten als Schwankungssteuerung. Auf der anderen Seite ist es weiterhin aus meiner Sicht ein unattraktiveres Investment in der jetzigen Konstellation. Selbst mit den gestiegenen Zinsen bei der jetzigen Inflationsrate haben Sie eine festgeschriebene, sozusagen reale minus Verzinsung darauf. Bei einer Inflationsrate von sieben und einem Zins von drei ist es halt einfach minus vier. Das ist rein mathematisch. Von daher finde ich die Anleihen unter dem Gesichtspunkt weiterhin nicht so spannend.

Was halten Sie von chinesischen Aktien?

Man hat immer darüber philosophiert, dass der russische Aktienmarkt interessant ist, weil die Bewertung aufgrund des politischen Abschlags hoch ist. Jetzt kommen wir direkt zum relevanten Punkt. Wir haben das gleiche Thema in China wie in Russland vor drei bis fünf Jahren. Die Aktien sind sehr günstig, weil der politische Abschlag darauf liegt. Wir wissen, wie das Ganze in Russland ausgegangen ist, d.h. nicht, dass es so verheerend für die chinesischen Aktien sein muss. Für mich wäre es nur etwas für einen spekulativeren Anleger, dann ist es schon interessant. Rein von den Bewertungen her ist es echt attraktiv. Ich glaube, ich würde es in einer normalen Vermögensverwaltung aus Risikogesichtspunkten eher nicht machen. Übrigens der gleiche Grund, warum wir auch keine russischen Aktien gemacht haben. Gereizt hat uns das auch, da waren auch Unternehmen zu einer niedrigen Bewertung. Wir wollten aber das Risiko für unsere Kunden nicht eingehen. Bei den chinesischen Aktien sind schon ein paar Unternehmen, die mir gut gefallen. Ich glaube aber, Stand heute würde ich es auf der Kundenseite aufgrund der genannten Gründe eher nicht machen. Wenn man jedoch eine spekulative Ader hat, ist es vielleicht eine schöne Gelegenheit für die nächsten Monate.

Was halten Sie von Kryptowährungen?

In der Vergangenheit, wenn ich zu Krypto irgendetwas gefragt worden bin, habe ich immer gesagt, dass es eine Anlage ist, die gekommen ist, um zu bleiben. Das sehe ich auch nach den Kursrückgängen noch so. Wir hatten sehr viel Euphorie in dem Sektor. Ich habe das noch mal im Nachgang rekapituliert und man hatte im vierten Quartal 2021 das Gefühl, es gibt nur noch Krypto-Blockchain und nichts mehr anderes. Wie es oft so ist, ist jetzt die Abkühlung. Ich finde es trotzdem interessant, aber ich glaube für noch ausgewähltere Anleger wie „chinesische Aktien“. Sie müssen eine unglaublich hohe Volatilität aushalten. Generell technisch betrachtet haben Sie eine Kaufzone unter 30.000 mit einem Risiko bis 20. Das hört sich jetzt wahnsinnig viel an, sind ungefähr 30 %. Das ist einfach die Volatilität der Assetklasse. Ich glaube aber, dass es eine Anlageklasse mit Perspektive ist, wo man jetzt auch noch zu günstigeren Niveaus reinkommt. Es ist aber ähnlich wie mit den chinesischen Aktien, aus meiner Sicht für die klassische Vermögensverwaltung eher schwierig zu empfehlen. Sollte man eine Affinität dafür haben oder überhaupt den Gedanken haben, dort mal zu investieren, würde ich sagen, dann kommt man jetzt in eine Phase, wo es interessant wird, also irgendwo zwischen 20.000 und 30.000 mit der Chance durchaus auf einen Verdoppler. Man muss allerdings sehr, sehr viele Schwankungen aushalten und ich glaube, das Ganze hängt auch sehr stark an den Notenbanken. Viele Krypto-Fans haben immer gesagt, es ist eine Alternative zu Gold und ein Inflationsschutz. Heute sehen wir ja, dass es nicht so zu betrachten ist. Auf der anderen Seite glaube ich, dass wir sehen werden, wenn die Notenbanken vom Gas gehen, dass in den Sektor auch wieder Geld rein fließt. Dann ist es einfach eine schöne Gelegenheit unter 30.000 oder vielleicht 25.000 zu kaufen, aber wirklich nur für den Anleger mit dem entsprechenden Risikoprofil. Denn wenn man schon mit den Aktienschwankungen zu kämpfen hat, ist das gegenüber dem Krypto-Bereich eher Kindergeburtstag.

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