Wirtschaftsstandort im technologischen Wandel

Inhaltsverzeichnis


Wirtschaftsstandort Deutschland: Wettbewerbsposition im internationalen Vergleich

Deutschland ist als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ein zentraler Akteur auf dem globalen Markt. Der Wirtschaftsstandort zeichnete sich traditionell durch seine Innovationskraft, hochwertige Produkte und starke Infrastruktur aus. Aber Deutschland steht im internationalen Wettbewerb vor wachsenden Herausforderungen. Die globalen Veränderungen, wie der technologische Wandel und die Veränderung von Lieferketten durch geopolitische Verschiebungen und hausgemachte Faktoren wie eine überbordende Regulatorik, wirken sich auf Deutschland als Wirtschaftsstandort aus. In diesem Beitrag beleuchten wir die Position Deutschlands in Bezug auf Preiswettbewerb, Regulatorik, Arbeitsmarkt und Fachkräfte sowie Bildung. Wir betrachten Deutschlands Positionierung auf Zukunftsmärkten und gehen auf die Divergenz zwischen der vermeintlich fehlenden Standortqualität und dem weiterhin ausufernden Handelsbilanzüberschuss ein.

Preiswettbewerb: Hohe Qualität bei hohen Kosten

Deutschland ist weltweit für seine Qualitätsprodukte bekannt, insbesondere in den Bereichen Automobil, Maschinenbau und chemische Industrie. Die „Made in Germany“-Marke ist ein Qualitätssiegel, das deutschen Unternehmen hilft, sich von preisgünstigeren internationalen Wettbewerbern abzuheben. Allerdings bedeutet dieser Fokus auf Qualität auch hohe Produktionskosten. Zudem zählt Deutschland, so die Kritik, zu den Ländern mit den höchsten Lohnkosten weltweit, und auch die Energiepreise sind hoch, was die Produktionskosten zusätzlich erhöht.

Im Preiswettbewerb steht Deutschland daher vor der Herausforderung, wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne seine Qualitätsstandards zu vernachlässigen. Länder wie China oder Vietnam können durch niedrigere Produktionskosten oftmals günstigere Preise anbieten. Dieser Befund ist nicht neu. Die deutsche Industrie reagiert seit vielen Jahrzehnten darauf und setzt verstärkt auf Automatisierung und Digitalisierung, um Effizienzsteigerungen zu erreichen und Produktionskosten zu senken.

Ein weiterer Aspekt sind die hohen Energiekosten, die Deutschland im internationalen Vergleich besonders belasten. Durch die Energiewende und den Fokus auf erneuerbare Energien sind die Strompreise für Unternehmen im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Polen deutlich höher. Dies führt dazu, dass energieintensive Industrien zunehmend über die Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland nachdenken.


Strompreisentwicklung Europa im 10-Jahres-Vergleich

Quelle: Strompreise in Europa: Was Strom in der EU kostet

Regulatorik: Komplexität und Bürokratie als Hemmschuh

Die deutsche Wirtschaft wird stark durch regulatorische Rahmenbedingungen behindert. Vorschriften und Gesetze sorgen einerseits für hohen Verbraucherschutz und umweltbewusstes Wirtschaften, erhöhen jedoch auch den administrativen Aufwand. Häufig werden in Deutschland, so der Eindruck, EU-Richtlinien besonders streng umgesetzt, während EU-Verordnungen dagegen einheitlich für alle EU-Länder gelten. Der Einstieg in den deutschen Markt ist insbesondere für ausländische Firmen mit erheblichen Hürden verbunden, was Innovation und Marktdynamik bremst.

Der deutsche Staat hat in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, um den bürokratischen Aufwand zu verringern, jedoch bleibt die Regulierungsdichte im internationalen Vergleich hoch. Ein besonders sensibles Thema ist dabei der Datenschutz. Seit Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) 2018 haben sich insbesondere mittelständische Unternehmen mit den komplexen Vorgaben schwergetan, da diese teilweise hohe Compliance-Kosten verursachen. Weitere Beispiele sind das Lieferkettengesetz (das die Grundlage für neue europäische Lieferkettenrichtlinien lieferte) und die ESG-Vorschriften der EU. 

Die Regulierungslandschaft sorgt aber auch für Stabilität und Rechtssicherheit, was Unternehmen oft als Vorteil empfinden. Die stark regulierten Arbeitsbedingungen, insbesondere im Arbeits- und Kündigungsschutz, bieten Arbeitnehmern hohe Sicherheit. Dennoch ist das Verbesserungspotenzial unübersehbar, insbesondere in der Vereinfachung von Genehmigungsprozessen. Vereinfachte Regeln könnten die Innovationskraft und die Flexibilität von Unternehmen deutlich stärken.

Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel: Ein angespannter Markt

Der deutsche Arbeitsmarkt ist durch niedrige Arbeitslosigkeit von 6 % (Oktober 2024, Quelle: Destatis) und eine hohe Erwerbstätigenquote von 76,9 % gekennzeichnet. Deshalb sind dem Beschäftigungswachstum Grenzen gesetzt, während die Babyboomer in den kommenden Jahren in Rente gehen. Der Fachkräftemangel betrifft zahlreiche Branchen, von der IT über das Gesundheitswesen bis hin zum Handwerk. Dass die Babyboomer in Rente gehen, verschärft die Situation. Offen ist, ob sich der Fachkräftemangel positiv auf die Innovationskraft auswirkt, weil die Unternehmen gezwungen sind, Arbeitskräfte durch Innovationen einzusparen oder negativ, weil mit der Zahl der Experten auch die Innovationskraft sinkt.


Quelle: Erwerbsmigration im Jahr 2023 erneut stark gestiegen – Statistisches Bundesamt


Um dem demografischen Wandel zu begegnen, fördert Deutschland die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das 2020 in Kraft trat, sollen qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern gezielt angeworben werden. Bereits 2012 wurde die sogenannte Blue Card für akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten eingeführt. Ende 2023 verfügten 113 000 Personen in Deutschland über eine Blue Card.

Ein weiterer Punkt ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die im internationalen Vergleich noch als verbesserungswürdig gilt. Trotz Fortschritten bei der Einführung flexibler Arbeitsmodelle und des Ausbaus der Kinderbetreuung bleibt Deutschland im europäischen Vergleich eher konservativ. Viele Fachkräfte, insbesondere Frauen, entscheiden sich daher für Teilzeitstellen, was das Potenzial des Arbeitsmarktes unnötig begrenzt.

Bildung: Starke Grundlagen, aber Innovationslücken

Deutschland verfügt über ein starkes Bildungssystem mit dualer Ausbildung und einer soliden Hochschul- und Universitätslandschaft. Das duale System, das Theorie und Praxis miteinander verbindet, ist international angesehen und sorgt dafür, dass Fachkräfte praxisorientiert ausgebildet werden.

Die digitalen Kompetenzen von Schülern und Studenten sind im internationalen Vergleich jedoch nicht auf dem neuesten Stand, was vor allem auf den langsamen Ausbau der digitalen Infrastruktur und der mangelnden Integration digitaler Lerninhalte in Schulen zurückzuführen ist. Der „DigitalPakt Schule“, der Schulen mit finanziellen Mitteln ausstattet, um die Digitalisierung voranzutreiben, zeigt erste Erfolge. Dennoch hinkt Deutschland hier laut der aktuellen Pisa-Studie anderen Ländern wie Estland oder Finnland hinterher.

Wie gut ist Deutschland positioniert bezüglich der Zukunftstechnologien?

Der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, der Aufstieg neuer Technologien und der globale Wettbewerb machen es erforderlich, dass Deutschland in den Bereichen Solarenergie, Elektromobilität, selbstfahrende Autos, Batterieproduktion und Künstliche Intelligenz (KI) strategisch aufgestellt ist. Innovationen in diese Bereiche bieten hohe Potenziale für das Wirtschaftswachstum in Deutschland.

1. Solarenergie statt Öl und Gas

Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist ein zentraler Baustein der Energiewende und essenziell für das Ziel, die Emissionen zu senken und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Die Solarenergie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Deutschland hat bereits früh in Solarenergie investiert und verfügt über ein umfassendes Netz an Solarparks und privaten Anlagen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und staatlichen Förderungen wurden die Photovoltaik-Industrie und die Installationszahlen stark vorangetrieben. Geholfen hat dabei, dass die Photovoltaik auch ohne staatliche Förderung die günstigste Art ist, Strom zu produzieren und dabei die Umwelt deutlich stärker schont als Windanlagen.

Stromerzeugung in Deutschland nach Energieträger

Quelle: Stromerzeugung in Deutschland – Wikipedia

Stärken: Deutschland gehört im Bereich der Solarenergieerzeugung zu den führenden Ländern Europas und kann auf eine etablierte Infrastruktur und ein solides Netzwerk an Unternehmen und Forschungseinrichtungen zurückgreifen, die sich z.B. im „Forschungsnetzwerk Erneuerbare Energien“ organisiert haben. Die politische Unterstützung und der gesellschaftliche Konsens für den Ausbau der erneuerbaren Energien tragen ebenfalls zur positiven Entwicklung bei.

Schwächen: Die Photovoltaik-Produktionskapazitäten in Deutschland sind im internationalen Vergleich gering, und ein großer Teil der Solaranlagen wird aus dem Ausland, vor allem aus China, importiert, wobei die Kosten enorm gesunken sind, während sich die Leistungsfähigkeit kontinuierlich verbessert hat. Außerdem fehlt es oft an ausreichenden Speichermöglichkeiten und Netzinfrastruktur, um den schwankenden Energiefluss aus Solar- und Windenergie optimal zu nutzen.

2. E-Autos statt Verbrenner

Die Transformation der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität ist eine der größten strukturellen Umstellungen, die Deutschland als führender Automobilstandort zu bewältigen hat. Auch wenn Kritiker dies anders sehen: Die deutsche Automobilindustrie hat massiv in die Entwicklung von E-Autos investiert. Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz bringen zunehmend wettbewerbsfähige Elektrofahrzeuge auf den Markt und planen, Verbrennungsmotoren in den kommenden Jahren weitgehend abzuschaffen.

Stärken: Deutschland ist international als Standort für hochwertige Automobiltechnik anerkannt. Diese Expertise und die starke Forschungslandschaft im Bereich der E-Mobilität verschaffen deutschen Herstellern eine gute Ausgangsposition, um sich auf dem globalen E-Auto-Markt zu etablieren.

Schwächen: In der Massenproduktion von E-Autos hinkt Deutschland Herstellern wie Tesla hinterher, und die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern bei der Batterietechnologie stellt ein Problem dar. Zudem sind die hohen Produktionskosten und der Fachkräftemangel in der Automobilbranche Hindernisse, um im globalen Preiswettbewerb zu bestehen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sind im Zeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024 rund 10.300 Stellen in der Automobilindustrie unbesetzt geblieben. Die deutschen Hersteller stehen vor der Herausforderung, ihre umfangreichen Verbrenner-Infrastrukturen und -Lieferketten auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Doch vor dieser Herausforderung stehen alle Hersteller, außer jene, die wie Tesla, Newcomer auf dem Automobilmarkt sind.

3. Selbstfahrende Autos

Autonomes Fahren ist ein weiteres Schlüsselthema, das die Automobilindustrie und den Wirtschaftsstandort Deutschland stark beeinflussen wird. Selbstfahrende Fahrzeuge könnten den Individualverkehr und Logistiksektor revolutionieren und zur Reduzierung von Unfällen und Emissionen beitragen. Deutsche Unternehmen wie Bosch, Continental und die großen Autohersteller investieren erheblich in die Forschung und Entwicklung autonomer Fahrsysteme.

Anzahl produzierter Kraftfahrzeuge weltweit nach Produktionsland von 2022 und 2023

Quelle: Größte Herstellerländer von Autos 2023 | Statista

Stärken: Deutschland verfügt über ein starkes Netzwerk an Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die sich auf die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, Sensorik und Fahrassistenzsystemen spezialisiert haben. Auch das regulatorische Umfeld wird zunehmend angepasst: Deutschland ist eines der ersten Länder, das gesetzliche Rahmenbedingungen für autonomes Fahren geschaffen hat, was Tests und Innovationen im öffentlichen Raum ermöglicht.

Schwächen: Der Vorsprung amerikanischer und chinesischer Technologieunternehmen im Bereich des autonomen Fahrens ist groß. Unternehmen wie Tesla, Waymo und Baidu haben fortschrittliche autonome Fahrtechnologien entwickelt und können schneller große Datenmengen für die Weiterentwicklung sammeln. Zudem fehlen in Deutschland oft die flächendeckenden 5G-Infrastrukturen, die für Echtzeit-Datenübertragung nötig sind, um das autonome Fahren sicher zu gestalten.

4. Batterieproduktion

Die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien ist eine der zentralen Technologien für die Elektromobilität und auch für die Energiespeicherung erneuerbarer Energien. Deutschland ist traditionell in der Forschung zur Batterietechnologie stark und hat große Schritte unternommen, um in die eigene Batteriezellproduktion zu investieren. Derzeit betreibt das chinesische Unternehmen CATL bei Erfurt die größte Produktion (8 GWh/Jahr). Tesla und VW bauen Werke in Brandenburg (50 GWh/Jahr) und Salzgitter (40 GWh/Jahr). Andere Produzenten haben Kapazitäten von insgesamt 130 GWh/Jahr. In Deutschland werden jährlich etwa 4 Mio. Autos produziert. Mit den beiden in Bau befindlichen Werken könnten bereits etwa eine Million Autos mit Batterien versorgt werden.

Batterieproduktion: Wertschöpfungsschwerpunkte in Deutschland

Quelle: Microsoft Word – 0902 Infopapier IPCEIs in der Batteriezellfertigung

Stärken: Die deutsche Industrie profitiert von starkem Know-how in der Chemie- und Maschinenbautechnik. Staatliche Förderungen für die europäische Batteriezellfertigung unterstützen den Ausbau von Produktionskapazitäten. Damit wird die Grundlage für die Entwicklung einer unabhängigen, wettbewerbsfähigen Batteriewertschöpfungskette geschaffen.

Schwächen: Bisher dominiert Asien die Batteriezellproduktion und kontrolliert weite Teile der Lieferketten, insbesondere die Rohstoffproduktion und -verarbeitung. Deutschland hat es bisher nicht geschafft, in großem Stil eine eigenständige Rohstoffversorgung aufzubauen. Hohe Umweltstandards in Deutschland stellen eine Herausforderung dar. Zudem ist die Recyclingkapazität noch unzureichend entwickelt, was die Nachhaltigkeit der Batterieproduktion beeinträchtigt.

5. Künstliche Intelligenz (KI)

Künstliche Intelligenz wird in nahezu allen Branchen als zukunftsweisende Technologie betrachtet und spielt auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland eine entscheidende Rolle. Innovative Anwendungen in der Produktion, der Automatisierung, im Gesundheitswesen und in der Logistik könnten erhebliche Effizienzgewinne bringen und den Wirtschaftsstandort stärken.

Stärken: Deutschland verfügt über eine exzellente Forschungslandschaft, die weltweit anerkannte Beiträge zur KI-Entwicklung leistet. Institutionen wie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und viele Universitäten treiben die Grundlagenforschung voran. Auch die Bundesregierung unterstützt die Entwicklung mit der nationalen KI-Strategie und finanziellen Mitteln für Forschung und Transfer.

Schwächen: In der praktischen Anwendung hinkt Deutschland oft anderen Ländern wie den USA und China hinterher. Es fehlt häufig an der Agilität und Risikobereitschaft, um KI-Technologien schnell in die Industrie zu bringen. Datenschutzregelungen, wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), erschweren die Nutzung großer Datenmengen, die für den Fortschritt in der KI-Forschung notwendig sind. Zudem ist der Mangel an qualifizierten KI-Spezialisten ein Problem, das den Fortschritt verlangsamt.

Die Auflistung zeigt, dass Deutschland eine gute Ausgangsposition hat, um die Transformation hin zu einer nachhaltigen, technologiebasierten Wirtschaft zu schaffen. Die Innovationskraft im Bereich der Ingenieurwissenschaften, die Qualität der Ausbildung und die Unterstützung durch den Staat bieten einen soliden Rahmen für den Wandel.

Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im Kontrast zum Handelsbilanzüberschuss

Deutschland gehört seit vielen Jahren zu den Ländern mit einem der höchsten Handelsbilanzüberschüsse weltweit. 2023 lag der deutsche Handelsbilanzüberschuss bei rund 210 Milliarden Euro oder 5 % gemessen am Bruttoinlandsprodukt oder 200 Euro jeden Monat je Einwohner. Dies bedeutet, dass die Exporte Deutschlands die Importe um diesen Betrag überstiegen. COVID-19-Pandemie und Lieferkettenprobleme haben zu einem scharfen Rückgang geführt aber seit Mitte 2022 steigt der Überschuss wieder.

Ursachen für den hohen Handelsbilanzüberschuss:
  1. Starke Exportwirtschaft: Deutschland ist führend in der Herstellung von hochqualitativen Industriegütern, darunter Autos, Maschinen und Chemieprodukte, die weltweit stark nachgefragt sind. Der hohe Innovationsgrad und die Qualität der deutschen Produkte sichern eine stabile Nachfrage, insbesondere aus Europa, den USA und China.
  2. Wettbewerbsfähige Preise und Lohnpolitik: Eine zurückhaltende Lohnentwicklung in den letzten Jahren hat die Produktionskosten niedrig gehalten, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Waren auf dem Weltmarkt stärkt.
  3. Binnenkonsum und Sparverhalten: Die deutschen Haushalte neigen traditionell zum Sparen, was die Inlandsnachfrage begrenzt und damit die Importe reduziert. Gleichzeitig führt dies zu einer hohen Kapitalexportquote. Damit sorgen die Deutschen vor, für den demografischen Wandel der kommenden Jahrzehnte. Dann können die Auslandsguthaben reduziert und genutzt werden, die alternde Bevölkerung trotz sinkender Erwerbstätigkeit zu versorgen.

Diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass Deutschland regelmäßig hohe Handelsbilanzüberschüsse ausweist, was jedoch auch immer wieder Kritik aus dem Ausland hervorruft, da es das internationale Handelsungleichgewicht verstärken kann.

Deutschland: Außenhandelsbilanz, 2008-2024

Quelle: Außenhandelsbilanz – Dashboard Deutschland

Die Sorgen vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit müssen vor diesem Hintergrund eingeordnet werden. Beispielsweise sind hohe Löhne volkswirtschaftlich erst dann ein Problem, wenn sie mit unerwünscht hoher Arbeitslosigkeit einhergehen. Andernfalls sind sie ein Ausdruck hoher Produktivität und sichern die inländische Nachfrage. Ein weiterer Faktor ist der Einfluss der Wechselkurse auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Durch die Abwertung der heimischen Währung kann die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hergestellt werden. Wahrscheinlich ist der hohe Exportüberschuss, neben den genannten Faktoren, auch die Folge des aus deutscher Sicht eher zu niedrig bewerteten Euros. Eine Abwertung würde den Exportüberschuss weiter erhöhen, aber die Kaufkraft des Euros im Ausland vermindern. Und sollte die Auslandsnachfrage zurückgehen, dann ließe sich im Gegenzug die inländische Nachfrage ankurbeln, um Deflationsrisiken entgegenzuwirken.

So schlecht steht es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschland offenbar gar nicht. Dennoch ist die Kritik, bzw. sind die Sorgen auch nicht grundlos. Was unter dem Deckmantel der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kritisiert wird, scheint vielmehr die sinkende Effizienz in der Produktion zu sein.

Fazit: Chancen und Herausforderungen des technologischen Wandels

Deutschland verfügt nach wie vor über eine starke Position im internationalen Wettbewerb. Während die Innovationskraft und Qualität den Wirtschaftsstandort stärken, stellen hohe Produktionskosten und der Mangel an Fachkräften ernsthafte Hindernisse dar. Die zunehmende Regulierungsdichte und der langsame Fortschritt im Bildungssystem führen ebenfalls zu einer schleichenden Erosion der Wettbewerbsfähigkeit.

Um den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig zu machen, sind gezielte Reformen notwendig. Die Reduzierung bürokratischer Hürden, eine Weiterentwicklung des Bildungssystems und eine umfassende Digitalisierung, insbesondere im öffentlichen Sektor, sind einige Schlüsselelemente, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu sichern. Eine gezielte Förderung der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte würde, das Arbeitsangebot stärken und den Arbeitsmarkt entlasten.

Insgesamt bleibt Deutschland ein attraktiver, aber zunehmend herausgeforderter Wirtschaftsstandort. Es wird entscheidend sein, dass die Politik gemeinsam mit der Wirtschaft die nötigen Reformen anstößt, um das Fundament für zukünftiges Wachstum und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Doch die Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten, hohe Produktionskosten und der Fachkräftemangel stellen Hindernisse dar, die es zu überwinden gilt. Eine gezielte Förderung, international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und der Ausbau der digitalen Infrastruktur sind entscheidend, um Deutschlands Position als führender Wirtschaftsstandort langfristig zu sichern.

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Kai Heinrich

Kai Heinrich

Kai Heinrich ist seit 2012 im Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG und verantwortet schwerpunktmäßig die Bereiche Unternehmenssteuerung, Bestandskundenbetreuung, Fondsmanagement und Organisation. Zusätzlich ist er Fondsmanager des Kana NEB Funds und agiert neben Thomas Käsdorf als Co-Fondsmanager des offensiven Mischfonds Plutos Multi Chance.

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