Einleitung – Was sind Mittelstandsanleihen?
Generell zählen Anleihen zu den wichtigsten Instrumenten der Unternehmens- und Staatsfinanzierung. Während Staatsanleihen traditionell als sichere Anlageform gelten und Unternehmensanleihen als attraktives Mittel zur Diversifikation im Portfolio geschätzt werden, gewinnen Mittelstandsanleihen als spezielle Form der Unternehmensanleihe an Bedeutung.
Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal liegt in der Größe der Emittenten. Mittelstandsanleihen stammen von Unternehmen, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, einen Jahresumsatz unter 50 Mio. Euro aufweisen oder deren Bilanzsumme unter 43 Mio. Euro liegt. Diese mittelständischen Unternehmen sind meist regional verankert und agieren oft in Nischenmärkten.
Mittelstandsanleihen sind typischerweise mit einem höheren Risiko verbunden. Viele mittelständische Unternehmen verfügen nicht über ein Rating einer großen Ratingagentur wie Moody’s oder S&P. Stattdessen lassen sie sich von kleineren Agenturen bewerten oder verzichten ganz darauf. Die wirtschaftliche Basis ist schmaler als bei großen Unternehmen, was sie anfälliger für Marktschwankungen oder branchenspezifische Krisen macht.
Kleine Unternehmen aus dem Mittelstandsbereich haben häufig weniger Vermögenswerte bzw. speziell weniger Sachwerte. Der Wert der Unternehmen begründet sich nicht selten aus Projektportfolios oder dem Auftragsbestand.
Die meist höhere Risikoprämie bei Mittelstandsanleihen führt zu attraktiveren Zinssätzen. Anleger erhalten hier oft Kupons zwischen 5 % und 8 %, was deutlich über dem Niveau von klassischen Unternehmens- oder Staatsanleihen liegt. Dieser Zinsaufschlag ist notwendig, um Investoren für das höhere Ausfallrisiko zu entschädigen. Bei Anleihen von großen Unternehmen mit Investmentgraderating bewegen sich die Renditen dagegen meist im Bereich von 2 % bis 4 %, abhängig von Laufzeit, Bonität und Marktlage.
Das Anlagerisiko spiegelt sich auch in zahlreichen Insolvenzen in der Vergangenheit wider. Manche im Gedächtnis gebliebene Ausfälle liegen jedoch schon einige Jahre zurück: Air Berlin (2017), Beate Uhse (2017), Reederei Rickmers (2017). Ein aktueller Fall ist dagegen Eyemaxx.
Schaubild: Insolvente KMU-Anleihen und ausgefallene Volumen
Quelle: BondGuide (https://www.bondguide.de/wp-content/uploads/2025/05/bondguide-9-2025.pdf)
Auf welche Besonderheiten von Mittelstandsanleihen Anleger achten sollten
Natürlich sollten Anleger vor allem das Ausfallrisiko im Auge behalten. Doch es gibt auch noch weitere Besonderheiten, auf die Anleger achten sollten.
Informationsungleichheit Research / Quartalszahlen / Ratings
Ein großes Problem ist häufig die, im Vergleich zu großen Aktiengesellschaften, geringe Transparenz der mittelständischen Unternehmen.
Mittelstandsanleihen profitieren häufig von vereinfachten Zulassungsbedingungen. Dies erleichtert kleineren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt. Gleichzeitig bedeutet dies für Anleger, dass weniger strenge Prospektpflichten und Offenlegungspflichten gelten, was wiederum zu einem erhöhten Informationsrisiko führen kann.
Es gibt häufig nur wenig Research und keine Bewertung durch Ratingagenturen. Pressemitteilungen der Unternehmen sind häufig die wichtigste Informationsquelle, dadurch wird eine faire Bewertung erschwert.
Viele mittelständische Unternehmen unterliegen geringeren Berichtspflichten und veröffentlichen beispielsweise nur einen Jahresabschluss. Regelmäßige Quartalsberichte, Analystenpräsentationen oder Roadshows, wie sie bei großen Unternehmen Standard sind, fehlen häufig. Auch Ratinganalysen und Research-Berichte sind im Mittelstandssegment seltener verfügbar. Damit steigt das Risiko für den Anleger, dass er über eine finanzielle Schieflage zu spät informiert wird.
Ratings von Mittelstandsanleihen sind eher selten. Moody’s, S&P und Fitch spielen in diesem Segment keine Rolle. Manche Unternehmen leisten sich eine Einstufung durch Scope, Creditreform oder Euler-Hermes – zum Teil müssen die Emittenten aber ein Rating aufweisen, um ein Börsenlisting zu erhalten.
Liquidität und Geld-Brief-Spanne
Der gesamte Markt für Mittelstandsanleihen ist, gemessen am Volumen sehr klein.
2024 wurden laut BondGuide 42 Mittelstandsanleihen mit einem Volumen von nur knapp 1,5 Mrd. Euro platziert. Damit ist klar, dass es zu Liquiditätsengpässen kommen kann. Nicht jede Anleihe, die man kaufen möchte, wird auch gerade angeboten. Und Anleger, die ihre Anleihen verkaufen wollen, finden möglicherweise auch nicht sofort eine Gegenseite. Das kann zu einer höheren Geld-Brief-Spanne als bei normalen Unternehmensanleihen führen.
Nicht alle Mittelstandsanleihen sind börsengelistet. Dann bringen die Unternehmen außerbörslich selbst Käufer und Verkäufer zusammen oder Banken (wie die KfW, Metzler oder z.T. auch Landesbanken) übernehmen diese Vermittlerrolle. Sie können sich auch verpflichten, als „Market Maker“ zu agieren und permanent An- und Verkaufskurse zu stellen.
Typische finanzpolitische Ziele der Emittenten
In den USA sind Unternehmensanleihen als Finanzierungsform deutlich verbreiteter als in Deutschland. Hierzulande stützen sich die Unternehmen vor allem auf Bankkredite als Form der Fremdfinanzierung. Folglich ist die Abhängigkeit von der eigenen Hausbank hoch. Kredite sind auch häufig mit Auflagen verbunden, nicht selten müssen Kreditnehmer Sicherheiten stellen oder die Kreditgelder sind an bestimmte Projekte gebunden. Die Auflagen beschränken die Eigenständigkeit der Unternehmen.
Generell ist daher ein Unternehmen, dass sich auch über Anleihen finanziert finanziell flexibler und unabhängiger. Andererseits entsteht schnell der Verdacht, dass Anleihen immer dann emittiert werden, wenn die Unternehmen bei ihrer Bank keinen Kredit oder keinen Kredit zu den gewünschten Konditionen erhalten. Aktuell dienen jedoch viele Neuemissionen schlicht dazu, alte Anleihen bei Fälligkeit zu refinanzieren.
Auch bei Anleihen kann sich die Emittentin eigenen Vertragsauflagen, sogenannten Convenants, unterwerfen.
Convenants (Schutzklauseln)
Während die angesprochenen Schutzklauseln aus Sicht der Unternehmen eine Einschränkung der finanziellen Freiheit darstellen, so implizieren sie aus Anlegersicht häufig zusätzliche Sicherheiten. Dabei ist es oft nicht einfach, die Zusammenhänge zu durchschauen.
Ein Beispiel: Bei klassischen Großunternehmen sollten die Anleger, die in Anleihen eines Tochterunternehmens investieren, schauen, ob der Mutterkonzern dem Tochterkonzern eine Garantie gibt und im Notfall bei Zahlungsschwierigkeiten einspringt.
Bei kleineren Unternehmen führt das Tochterunternehmen in der Regel das operative Geschäft und die Mutter dient nur als Mantel für die Finanzierung. In diesem Fall wäre eine Anleihe der Mutter nachrangig gegenüber den Verbindlichkeiten der operativen Tochter.
Was spricht für Mittelstandsanleihen?
Chancen, höhere Renditen
Den im Durchschnitt höheren Risiken stehen entsprechend höhere Renditen gegenüber. Auch der Umstand, dass viele Anleihen bzw. Unternehmen kein Rating haben, wird durch höhere Renditen reflektiert.
Dabei muss ein fehlendes Rating nicht mit einer schwachen Bonität einhergehen. Auch ein Unternehmen mit guter Bonität kann aus unternehmenspolitischen Gründen auf ein Rating verzichten.
Kleine Mindeststückelungen
Zu einem besonderen Problem für alle Kleinanleger hat sich die Neigung vieler Emittenten entwickelt nur noch professionelle und institutionelle Kunden anzusprechen und, über die Mindeststückelung von 100.000 Euro, Kleinanleger auszuschließen. Das vereinfacht die regulatorische Abwicklung von Neuemissionen, doch selbst für vermögende Anleger mit ein bis fünf Millionen Euro Anlagevermögen entsteht durch die Stückelung eine unerwünschte Risikokonzentration.
Mittelstandsanleihen haben in der Regel eine Stückelung von 1000 Euro, dadurch ergeben sich neue Diversifikationsmöglichkeiten. Schließlich gilt, dass wer 100.000 Euro in Anleihen investieren möchte, lieber zehn Einzelpositionen wählen sollte, statt alles auf eine Karte zu setzen.
KMU-Anleiheemissionen und -Volumen (12 Monate)
Quelle: BondGuide (https://www.bondguide.de/wp-content/uploads/2025/05/bondguide-9-2025.pdf)
Erweiterte Auswahl
Die Auswahl potenzieller Schuldner vergrößert sich, wenn man auch mittelständische Anleihen in Betracht zieht. Interessant ist dabei, dass Anleger auch in Unternehmen investieren können, die keine AGs, sondern beispielsweise Familienunternehmen sind.
Die Idee ist gut: In mittelständische Firmen investieren und profitieren
Gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung mittelständischer Unternehmen in Deutschland ist der Markt noch viel zu klein. Anleger unterstützen mit ihrem Investment auch die Idee, diesen Unternehmen eine größere finanzielle Flexibilität zu geben. Die Mittelständer wissen am besten, wo sie die eingeworbenen Finanzmittel am sinnvollsten investieren. Die Abhängigkeit von Banken kann daher kontraproduktiv sein.
Manches mittelständische Unternehmen, das sich über Anleihen finanziert, ist auch ein Aktienunternehmen. Für den Anleger stellt sich dann die Frage, ob er die Aktie oder die Anleihe wählen sollte. Für den Einsteiger, der sich noch nicht viel mit den Risiken mittelständischer Unternehmen beschäftigt hat, bieten sich Anleihen zum Einstieg an, da die Risiken überschaubarer sind als bei einem Aktieninvestment.
Fazit
Mittelstandsanleihen stellen eine interessante Ergänzung im Anleihenportfolio dar, insbesondere für Anleger, die bereit sind, ein erhöhtes Risiko in Kauf zu nehmen, um von überdurchschnittlichen Renditen zu profitieren. Sie unterscheiden sich jedoch deutlich von klassischen Unternehmens- und Staatsanleihen – sowohl hinsichtlich Bonität, Liquidität und Informationslage als auch bezüglich regulatorischer Rahmenbedingungen.
Wer in Mittelstandsanleihen investiert, sollte die spezifischen Risiken sorgfältig analysieren, das Unternehmen gründlich prüfen und nicht allein auf hohe Zinssätze setzen. Für sicherheitsorientierte Anleger sind dagegen Anleihen von Großunternehmen oder Staaten meist die bessere Wahl – auch wenn diese geringere Renditen abwerfen. Letztlich hängt die Entscheidung von der individuellen Risikoneigung, den Anlagezielen und dem Gesamtportfolio ab.
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