Markteffizienz: Verstehen und nutzen Sie eines der wichtigsten Konzepte der Finanzwissenschaft

Markteffizienz ist ein zentrales Konzept in der Finanzwissenschaft und wird häufig diskutiert, wenn es um Investitionsstrategien geht. Wir werden das Konzept betrachten, die verschiedenen Grade der Markteffizienz untersuchen und diskutieren, wie sie sich auf Anlageentscheidungen auswirken können. Dabei möchten wir sowohl die Erkenntnisse aus der Wissenschaft als auch der Praxis vergleichen und vermeintliche Widersprüche aufbrechen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Markteffizienz?

Markteffizienz, auch bekannt als Effizienzmarkthypothese (EMH), ist die Idee, dass die Preise von Wertpapieren die verfügbaren Informationen genau widerspiegeln. In einem effizienten Markt sind alle relevanten Informationen sofort verfügbar und spiegeln sich in den Preisen wider. Dies bedeutet, dass es für Anleger unmöglich ist, systematisch höhere Renditen als der Gesamtmarkt zu erzielen, indem sie auf Basis dieser Informationen handeln.

Die EMH wurde in den 1960er Jahren von Eugene Fama entwickelt und hat seitdem die Grundlage für viele Investitionsstrategien und -überlegungen gebildet. Es gibt drei verschiedene Grade der Markteffizienz: schwach, halbstark und stark. Jeder Grad berücksichtigt unterschiedliche Informationen und Annahmen darüber, wie schnell diese Informationen in den Preisen verarbeitet werden.

Die verschiedenen Grade der Markteffizienz

Schwache Markteffizienz

Die schwache Markteffizienz besagt, dass alle historischen Kursinformationen in den aktuellen Preisen von Wertpapieren berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die Analyse von vergangenen Kursbewegungen – die sogenannte technische Analyse – keinen Vorteil bei der Vorhersage zukünftiger Kursbewegungen bietet. In einem schwach effizienten Markt ist es nicht möglich, eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen, indem man einfach historische Kursdaten analysiert.

Halbstarke Markteffizienz

Die halbstarke Markteffizienz geht einen Schritt weiter und besagt, dass alle öffentlich verfügbaren Informationen in den Preisen von Wertpapieren berücksichtigt werden. Dazu gehören nicht nur historische Kursdaten, sondern auch Informationen über das Unternehmen, wie Finanzberichte und Wirtschaftsnachrichten. In einem halbstark effizienten Markt ist es auch nicht möglich, eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen, indem man fundamentale Analyse betreibt.

Starke Markteffizienz

Die starke Markteffizienz ist der extremste Grad der EMH und besagt, dass alle Informationen – sowohl öffentlich als auch privat – in den Preisen von Wertpapieren berücksichtigt werden. In einem stark effizienten Markt kann niemand, auch nicht Insider, durch den Handel aufgrund von Insiderinformationen einen Vorteil erzielen.

Ein Experiment zur Markteffizienz: Der Münzwurf

Zur schwachen Effizienz ein kleines Experiment: Sie werfen eine Münze. Bei Kopf zeichnen Sie eine Linie nach oben, bei Zahl hingegen eine Linie nach unten. Folgende Abbildung stellt eine solche Simulation dar:

Es wurde 100 mal geworfen. Die Wahrscheinlichkeit beträgt logischerweise 50/50. Sie sehen hier einige Simulationsdurchgänge. Der Durchschnittspfad ist in schwarz dargestellt. Betrachten Sie nur eine Kurve, scheint es doch verblüffend ähnlich zu einem Aktienkurs zu sein – inklusive der Anwendbarkeit von technischen Indikatoren oder Chartmustern.

Kritik an der Markteffizienz

Obwohl die Markteffizienz ein einflussreiches Konzept in der Finanzwelt ist, gibt es auch Kritiker, die argumentieren, dass Märkte nicht immer effizient sind. Einige der Hauptkritikpunkte sind:

Anomalien im Markt

Es gibt mehrere dokumentierte Marktphänomene, die scheinbar gegen die Idee der Markteffizienz sprechen. Beispiele hierfür sind der Januar-Effekt, bei dem Aktien im Januar tendenziell besser abschneiden als in anderen Monaten oder die Tatsache, dass die implizite Volatilität bei Optionen deutlich häufiger über der historischen Volatilität liegt. Sprich, Anleger überschätzen die Volatilität systematisch.

Solche Anomalien sollten in völlig effizienten Märkten durch sofortige Arbitrage-Geschäfte ausgenutzt werden und nicht vorkommen. Dennoch existieren sie.

Verhaltensfinanztheorie

Die Verhaltensfinanztheorie untersucht, wie kognitive Verzerrungen und Emotionen die Entscheidungen von Anlegern beeinflussen. Diese Theorie zeigt, dass Anleger oft irrational handeln und dass Märkte daher möglicherweise nicht immer effizient sind. Zum Beispiel neigen Anleger dazu, Aktien zu kaufen, die in der jüngsten Vergangenheit gut abgeschnitten haben, und Aktien zu verkaufen, die schlecht abgeschnitten haben, auch wenn dies möglicherweise nicht die beste Entscheidung ist. Lesen Sie dazu gerne unseren Beitrag zum Thema „Recency Bias“.

Informationsasymmetrie

Ein weiterer Kritikpunkt an der Markteffizienz ist, dass nicht alle Marktteilnehmer gleichzeitig Zugang zu den gleichen Informationen haben. Insbesondere Insider könnten über private Informationen verfügen, die ihnen einen Vorteil verschaffen. Obwohl Insiderhandel illegal ist, besteht das Potenzial, dass einige Insider diese Informationen nutzen, um ihre Positionen zu ihrem Vorteil zu beeinflussen.

Es muss aber nicht direkt der Insiderhandel sein. Es reicht schon, dass Banken und Fonds meist mehr und schnellere Informationen als Privatanleger haben. Die Tatsache, dass viele Privatanleger mit mangelndem Finanzmarktwissen den Schritt an die Börse wagen, verstärkt potenzielle Ineffizienzen nochmals.

Implikationen der Markteffizienz für Anleger

Die Tatsache, dass allzu oft Abweichungen zur klassischen Markteffizienz bestehen, lässt Grund genug zu glauben, dass die Märkte nicht stets effizient sind. Das vorherige Experiment des Münzwurfes bringt zwar verblüffend ähnliche Chartmuster hervor, was jedoch kein Argument gegen die Chartanalyse sein muss. Im Gegenteil: Die Erkenntnis, dass die Chartanalyse selbst auf zufällig generierte Pfade anzuwenden ist, zeigt dessen Flexibilität. In einer sauberen technischen Analyse geht es nämlich nicht um die perfekte Vorhersage der Zukunft, sondern um das überlegte Reagieren auf bestimmte Marktmuster: Bricht der Preis über eine bestimmte Marke, gehen wir davon aus, dass dies eine Bedeutung am Markt hat und handeln. Das ist nicht damit zu verwechseln, dass versucht wird, überhaupt vorherzusagen, dass der Preis über eine Marke ausbricht. Durch diese Abgrenzung müssen sich aktiver Handel und Markteffizienz nicht unbedingt ausschließen.

Trotz der Kritikpunkte bleibt die Markteffizienz ein wichtiges Konzept für Anleger. Wenn man die EMH akzeptiert, hat dies einige wichtige Auswirkungen auf die Anlageentscheidungen. Vor allem zwei zentrale Verhaltensregeln sollten Sie als Anleger stets beachten:

Diversifikation

Da die Markteffizienz darauf hindeutet, dass es schwierig ist, systematisch Aktien mit überdurchschnittlichen Renditen auszuwählen, ist es wichtig, ein diversifiziertes Portfolio aufzubauen, um das Risiko zu reduzieren und stabile langfristige Renditen zu erzielen. Das soll nicht heißen, dass eine Selektion gar nicht mehr stattfinden soll. Eine saubere Analyse, welche fundamentale (siehe SWOT & Porters Five Forces) sowie technische Faktoren mit einbezieht ist essenziell. Dennoch: Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich die Zukunft entwickeln wird – auch die beste Analyse nicht. Idealerweise hält ein Anleger rund 20-30 Aktien aus verschiedensten Branchen, Ländern und Größen im Portfolio.

Langfristige Anlageperspektive

In einem effizienten Markt können kurzfristige Preisschwankungen oft schwer vorhergesagt werden. Daher ist es für Anleger ratsam, eine langfristige Perspektive einzunehmen und sich auf fundamentale Faktoren wie Unternehmenswachstum, Stabilität des Geschäftsmodells und Dividenden zu konzentrieren, anstatt zu versuchen, kurzfristige Marktbewegungen zu antizipieren.

Fazit

Die Markteffizienz ist ein grundlegendes Konzept in der Finanzwelt, das wichtige Auswirkungen auf die Anlageentscheidungen hat. Obwohl es Kritikpunkte gibt, die darauf hindeuten, dass Märkte nicht immer effizient sind, bietet die EMH wertvolle Einblicke.

Für Anleger bedeutet dies, dass sie ihre Anlagestrategien und -ziele sorgfältig prüfen und anpassen sollten, um sicherzustellen, dass sie den Grundsätzen der Markteffizienz Rechnung tragen. Eine diversifizierte und langfristige Anlagestrategie kann dabei helfen, das Risiko zu reduzieren und eine solide Rendite zu erzielen.

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Die in der Rubrik zur Verfügung gestellten Informationen erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Informationen im Rahmen von Finanzanlagen unterliegen aber stetiger Veränderungen und wechselnder Einschätzungen. Eine Haftung wird ausgeschlossen.
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Kai Heinrich

Kai Heinrich

Kai Heinrich ist seit 2012 im Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG und verantwortet schwerpunktmäßig die Bereiche Unternehmenssteuerung, Bestandskundenbetreuung, Fondsmanagement und Organisation. Zusätzlich ist er Fondsmanager des Kana NEB Funds und agiert neben Thomas Käsdorf als Co-Fondsmanager des offensiven Mischfonds Plutos Multi Chance.

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