Einleitung
Der „Liberation Day“ von US-Präsident Donald Trump hat sich zu einem Albtraum für den weltweiten Handel entwickelt. Die verkündeten Sonderzölle fielen deutlich höher aus als im Vorfeld erwartet.
Die Rede, mit der Trump die Sonderzölle begründete, war für Ökonomen verstörend. Trump hielt ein Tableau in die Höhe mit zwei Spalten: i) Die angeblich im Ausland erhobenen Zölle und ii) seine zumeist nur halb so hohen Gegenzölle.
Das Tableau zeigte jedoch nicht die im Ausland erhobenen Zölle, sondern die länderspezifischen Defizite in der Handelsbilanz gemessen an den jeweiligen Importen. Es ist davon auszugehen, dass Trump sein eigenes Tableau nicht verstanden hat. Unklar ist, warum seine Berater ihm die „Logik“ nicht erklärt haben.
Wir erklären in unserem Blog Beitrag die Überlegungen seiner Berater hinter dem Tableau. Lassen diese jedoch weitgehend unkommentiert im Raum stehen.
Richtig an Trumps Bewertung ist, dass das hohe Defizit der USA im Handel ein stetig größer gewordenes Problem ist. 2024 erreichte das Leistungsbilanzdefizit einen Höchststand von etwa 918 Milliarden US-Dollar. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt entspricht das Defizit einem Anteil von 4,1 %. Das Handelsbilanzdefizit, das nur Waren aber u.a. keine Dienstleistungen erfasst, lag sogar bei einem Minus von 1.200 Milliarden US-Dollar.
Schaubild: USA ‒ Leistungsbilanzsaldo von 1980 bis 2023 und Prognosen bis 2029 (in Milliarden US-Dollar)
Quelle: Statista
1. Irrtum: Trump meint, dass Außenhandel ein Nullsummenspiel sei
An den Äußerungen von Donald Trump lässt sich leicht ablesen, dass er glaubt, der Rest der Welt würde die USA ausnutzen: Die USA verlieren und der Rest der Welt gewinnt.
Der globale Außenhandel ist aber kein Nullsummenspiel. Außenhandel ermöglicht allen beteiligten Volkswirtschaften gemeinsame Gewinne. Bei einem Nullsummenspiel kann dagegen ein Akteur nur auf Kosten eines anderen gewinnen.
Zu den Gewinnen kommt es unter anderem, weil die Länder sich stärker spezialisieren können und weil die Märkte größer werden und die Firmen Skalenerträge realisieren können. Zudem profitieren die Konsumenten von einem größeren Warenangebot, mehr Auswahl, besserer Qualität und oftmals niedrigeren Preisen.
Auch der Austausch von Wissen und Technologien ist mit dem Welthandel stark korreliert und hat insbesondere zu den immensen Produktivitätsfortschritten in den Emerging Markets beigetragen.
Es gibt zweifellos auch Verlierer im internationalen Wettbewerb: Beispielsweise wurden arbeitsintensive Produktionsprozesse, wie z. B. die Fließbandproduktion oder die Textilfertigung, von Deutschland ins Ausland verlagert. Wertschöpfungsintensive Bereiche, wie die Entwicklung oder die Unternehmensführung, sind dagegen in der Regel in Deutschland verblieben.
Außenhandel steigert den allgemeinen Wohlstand, fördert Innovationen und trägt zur wirtschaftlichen Entwicklung weltweit bei. Außenhandel ist kein Nullsummenspiel. Im Gegenteil, die USA haben bislang stark von der Globalisierung profitiert.
2. Irrtum: Trump glaubt, dass die USA ausgenutzt wird
Zurück zu Trumps Einschätzung, dass die USA von dem Rest der Welt ausgenutzt werden. Trumps Sicht ist, dass ausländische Firmen Zugang zum US-Markt erhalten, während im Rest der Welt amerikanische Firmen durch Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse benachteiligt werden. Dies sei ungerecht und die Ursache des hohen Defizits.
Ökonomisch impliziert das hohe US-Leistungsbilanzdefizit, dass in den USA erheblich mehr Waren und Leistungen konsumiert werden, als dort produziert werden. Der Lebensstandard in den USA ist also deutlich höher, als er ohne dieses Defizit in der Leistungsbilanz wäre. Mithin sind es aus diesem Blickwinkel die USA, die profitieren.
Bei einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen und einem US-Defizit von 1.000 Mrd. US-Dollar spendet quasi jeder in der Welt den USA jedes Jahr 125 US-Dollar, damit sich die Menschen dort etwas mehr Wohlstand leisten können. Es sollte andersherum sein: Als Industrieland sollte die USA einen Überschuss erwirtschaften.
Schaubild: Handelsströme in die USA (in Milliarden US-Dollar)
Quelle: Bloomberg
Nach unserer Einschätzung spielen die Zölle eine geringe Rolle. Die Ursache des Problems ist vielmehr die starke Inlandsnachfrage in den USA und der überbewertete US-Dollar. Die robuste US-Wirtschaft und die hohe Kaufkraft der Verbraucher führen zu einer verstärkten Nachfrage nach importierten Waren. Ein starker US-Dollar macht ausländische Produkte günstiger, was die Importe weiter ankurbelt.
Das Defizit würde sinken, wenn der Konsum in den USA langsamer steigen würde. Hinzu kommt, dass die Ersparnis in den USA im Vergleich zu anderen Ländern niedrig ist. Eine höhere Ersparnis wäre aber notwendig, um einerseits mehr private Investitionen zu finanzieren und andererseits die Lücke in den Staatsfinanzen zu schließen. Um diese Finanzierungslücke zu schließen, wandern Güter und Leistungen aus dem Ausland in die USA. Schon Anfang der 1980er-Jahre wurde dieser kausale Zusammenhang als Zwillingsdefizit (englisch: twin defizit) diskutiert.
Aus Sicht des Auslands entstehen durch das US-Leistungsbilanzdefizit wachsende Risiken, die zu Währungsschwankungen oder zu Volatilität an den Finanzmärkten führen können. Die jüngste US-Dollar-Schwäche und die Kursverluste an den Börsen weltweit spiegeln dieses Risiko nur zu gut wider. Zudem sinkt das Vertrauen in die langfristige Zahlungsfähigkeit der USA.
Fazit: Das Defizit ist ein Problem, aber die USA werden vom Rest der Welt nicht ausgenutzt.
3. Irrtum: Trump schaut auf die falschen Zahlen
Nach Ansicht von Donald Trump manifestiert sich die angebliche Ungerechtigkeit in einem hohen Defizit der Handelsbilanz. Ein besseres Bild liefert jedoch die Leistungsbilanz, denn die Handelsbilanz ist nur ein Teilbereich der Leistungsbilanz. Die Handelsbilanz erfasst nur den Wert der Exporte und Importe von Waren innerhalb eines bestimmten Zeitraums.
Die Leistungsbilanz ist dagegen umfassender als die Handelsbilanz. Sie erfasst alle laufenden wirtschaftlichen Transaktionen zwischen In- und Ausland. Dazu gehören i) die Handelsbilanz (der Warenverkehr), ii) die Dienstleistungsbilanz (z. B. Transport, Tourismus, Finanzdienstleistungen), iii) Erwerbs- und Vermögenseinkommen (z. B. Zins- und Dividendenzahlungen, Löhne von Grenzpendlern), iv) laufende Übertragungen (z. B. Entwicklungshilfe, private Überweisungen von Migranten).
Ein Defizit in der Leistungsbilanz bedeutet, dass ein Land mehr ausgibt als es verdient. Im Gegenzug erhält das Ausland inländische Vermögenswerte. Einfach formuliert: Die USA finanzieren ihr Defizit, indem sie Aktien, Staatsanleihen oder andere Vermögenswerte an Ausländer übertragen. Diese Übertragungen werden in der Kapitalbilanz erfasst.
Zusammen mit der Devisenbilanz (Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank) ist die Kapitalbilanz die Gegenposition zur Leistungsbilanz. Innerhalb der Zahlungsbilanz saldieren sich die Leistungsbilanz, die Kapitalbilanz und die Devisenbilanz auf null.
Das Defizit der Leistungsbilanz ist für die USA deutlich geringer als das Defizit der Handelsbilanz, da die USA deutlich mehr Dienstleistungen exportieren als sie importieren. Neben den großen IT-Unternehmen (Microsoft, Alphabet, Meta etc.) ist hier auch an den Überschuss im Tourismusbereich zu denken.
Ganz so „ungerecht“, wie Trump meint, ist die Welt mithin nicht, insbesondere wenn man bedenkt, dass für Dienstleistungen in der Regel keine Zölle anfallen und Irland US-Unternehmen innerhalb der Europäischen Union einen steuerlich attraktiven Standort bietet.
4. Irrtum: Trump sorgt sich um die Deindustrialisierung
In Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen hat die Industrie in der Regel einen geringeren Anteil an der gesamten Wertschöpfung, obwohl diese Länder technologisch oft hoch entwickelt sind und eine starke industrielle Basis besitzen.
Diese Entwicklung ist das Ergebnis struktureller Veränderungen in der Volkswirtschaft, die typisch für fortgeschrittene Industrieländer sind. Im Folgenden wird erklärt, warum dieser Anteil abnimmt und welche wirtschaftlichen Prozesse dahinterstehen.
Eine der zentralen Ursachen liegt im sogenannten Strukturwandel, also dem langfristigen Wandel der Wirtschaftsstruktur eines Landes. Triebfeder ist dabei die wachsende Arbeitsproduktivität. Moderne Maschinen, Automatisierung und Digitalisierung sorgen dafür, dass mit weniger Arbeitskräften mehr produziert wird. Das gilt insbesondere für die Industrie und führt dazu, dass der Anteil der Industrie an der Beschäftigung und an der Wertschöpfung sinkt, obwohl das Produktionsvolumen gleichbleibt oder sogar wächst.
In frühen Entwicklungsphasen dominiert die Landwirtschaft (Primärsektor). Mit der Industrialisierung steigt der Anteil der Industrie (Sekundärsektor), da Fabriken und verarbeitendes Gewerbe expandieren. In hochentwickelten Volkswirtschaften verschiebt sich die Wertschöpfung jedoch zunehmend in den Dienstleistungssektor (Tertiärsektor). Dieser Sektor umfasst unter anderem Handel, Bildung, Gesundheit, IT, Banken, Versicherungen und viele weitere Bereiche.
Mit steigendem Einkommen und technologischer Entwicklung werden Dienstleistungen nicht nur wichtiger, sondern auch wertvoller. Konsumenten in reichen Ländern geben mehr Geld für Bildung, Gesundheit, Reisen, Freizeit oder digitale Dienste aus – nicht mehr primär für Industrieprodukte.
In hochentwickelten Staaten konzentriert sich die inländische Industrie häufig auf High-Tech- und Nischenbereiche, während große Teile der standardisierten Produktion ins Ausland verlagert werden. Moderne Volkswirtschaften sind zunehmend von wissensintensiven Dienstleistungen geprägt. Softwareentwicklung, Beratung, Forschung, medizinische Versorgung oder kreative Berufe sind stark gewachsen und schaffen hohe Wertschöpfung – oft sogar höher als klassische Industriebranchen.
Auch viele industrielle Unternehmen erwirtschaften heute einen erheblichen Teil ihres Umsatzes durch begleitende Dienstleistungen, z. B. Wartung, Software, Schulungen oder Finanzierungen, die jedoch in der Statistik nicht der Industrie, sondern dem Dienstleistungssektor zugerechnet werden.
Die Deindustrialisierung, die Trump bemängelt, ist somit dem wirtschaftlichen Erfolg der USA geschuldet. Die USA waren in den letzten Jahrzehnten außerordentlich erfolgreich, weil es US-Unternehmen im Rahmen der Digitalisierung besonders gut gelungen ist, neue Produkte zu entwickeln und Produktfelder zu besetzen.
Der sinkende Anteil der Industrie an der Wertschöpfung in Ländern mit hohem Einkommen ist kein Zeichen für einen industriellen Niedergang, sondern Ausdruck eines natürlichen ökonomischen Reifeprozesses. Höhere Produktivität, Globalisierung, technologische Entwicklung und ein wachsender Dienstleistungssektor führen dazu, dass Industrie relativ gesehen an Bedeutung verliert – obwohl sie in absoluten Zahlen oft stabil bleibt oder sogar wächst. Es handelt sich um eine Verschiebung innerhalb einer fortschrittlichen, zunehmend wissensbasierten Wirtschaft.
5. Irrtum: Trump ist sich sicher, Handelskriege könne man gewinnen
Handelskriege werden oft mit militärischen Konflikten verglichen – mit Zöllen, Importverboten oder anderen Handelshemmnissen als Waffen. Ziel ist es meist, durch wirtschaftlichen Druck politische oder wirtschaftliche Vorteile zu erzwingen. Doch in der Realität erweisen sich Handelskriege als hochriskantes Instrument, das langfristig mehr Schaden als Nutzen bringt – nicht nur für die angegriffene Nation, sondern auch für das angreifende Land selbst. Deshalb gelten Handelskriege als nicht gewinnbar. Im Folgenden werden die wichtigsten Gründe dafür erläutert:
1. Gegenseitige Abhängigkeit in einer globalisierten Welt
In der heutigen Weltwirtschaft sind Länder stark miteinander vernetzt. Unternehmen beziehen Rohstoffe, Zwischenprodukte und Dienstleistungen international. Verbraucher kaufen Waren aus aller Welt, und Märkte sind eng verflochten. Wenn ein Land Zölle erhebt oder Handelsbarrieren einführt, reagiert das betroffene Land meist mit Vergeltungsmaßnahmen – sogenannte Retorsionen. Es entsteht eine Spirale aus gegenseitigen Strafmaßnahmen, die beide Seiten schädigt.
Beispiel: Der Handelskonflikt zwischen den USA und China (2018–2020) führte zu wechselseitigen Zöllen auf Waren im Wert von Hunderten Milliarden Dollar. Das Wachstum in beiden Ländern wurde gebremst, die Verbraucherpreise stiegen und die Investitionsbereitschaft sank.
2. Kosten für Unternehmen und Konsumenten
Zölle verteuern Importe. Unternehmen, die auf ausländische Vorprodukte angewiesen sind, müssen höhere Kosten tragen. Diese werden entweder an die Verbraucher weitergegeben – was zu Inflation führen kann – oder die Firmen verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere exportorientierte Industrien leiden, wenn wichtige Auslandsmärkte durch Gegenzölle wegbrechen.
Auch Konsumenten zahlen den Preis: Sie haben ein geringeres Warenangebot und müssen mehr für Alltagsgüter zahlen. Handelskriege treffen somit nicht nur politische Gegner, sondern auch eigene Bürger und Unternehmen.
3. Verlust von Vertrauen und Planbarkeit
Internationale Handelsbeziehungen basieren auf Vertrauen, Verlässlichkeit und klaren Regeln – wie sie etwa durch die Welthandelsorganisation (WTO) geschaffen wurden. Handelskriege untergraben diese Prinzipien. Sie schaffen Unsicherheit für Unternehmen, die langfristig planen und investieren wollen. Wenn politische Entscheidungen Handelsbeziehungen willkürlich beeinflussen, steigen Risiken – Investitionen werden verschoben oder ganz gestrichen.
Langfristig leidet das wirtschaftliche Wachstum, weil Kapital, Know-how und Arbeitsplätze nicht mehr effizient verteilt werden können.
Wie hat Donald Trump seine Zollsätze berechnet?
Laut Trumps „Reciprocal Tariff Act“ sollten alle Länder mindestens zehn Prozent „Basiszoll“ zahlen. Zusätzlich verlangen die USA künftig einen Sonderzoll („reciprocal tariff“), der laut Trumps Aussagen nur halb so hoch ist, wie der Zoll den US-Unternehmen in dem jeweiligen Land zahlen.
Das Tableau, das er während der Pressekonferenz in die Kamera hielt, zeigte aber ganz andere Zahlen, die nicht den ausländischen Zollsätzen entsprachen. Vielmehr spiegelt die erste Spalte seines Tableaus das Handelsbilanzdefizit der USA mit dem jeweiligen Land wider, gemessen in Relation zu den landesspezifischen US-Importen. Ein hoher Wert entspricht mithin einem hohen Defizit. Trump hat sein Tableau offensichtlich nicht verstanden.
Die erste Spalte kann auch als fiktiver Zollsatz interpretiert werden, der so hoch gewählt wird, dass er die Handelsbilanz glattstellen würde. Entsprechende Angaben dazu sind auf der Internetseite des „Office of the United States Trade Representative“ zu finden.
- Um aus den Defiziten die fiktiven Zollsätze zu berechnen, muss i) bekannt sein, welchen Anteil der Zölle die Exporteure an die US-Verbraucher weiter reichen werden. In der unteren Formel ist das der Parameter ε.
- Zudem muss ii) bekannt sein wie hoch die Preiselastizität der Nachfrage für die mit Zöllen belegten Güter sein wird. In der unteren Formel ist das der Parameter φ. Der Parameter beschreibt also um wieviel Prozent sich die Importnachfrage verringert, wenn durch die Zölle die Importpreise um ein Prozent steigen.
Schaubild: Formel verwendet im „Reciprocal Tariff Act“
Quelle: Reciprocal Tariff Calculations | United States Trade Representative
Da die wirklichen Werte nicht bekannt sind und sie sicherlich von Produkt zu Produkt stark variieren, mussten die Parameter geschätzt werden:
Für die Importpreiselastizität wurde ein Wert 4 angenommen. Steigt der Importpreis um ein Prozent, dann würde sich die Importmenge unter dieser Annahme um 4 % verringern.
Für den Parameter φ wurde eine Elastizität von 0,25 angenommen. Mithin würden die Exporteure nur ein Viertel der Zölle an die Kunden weiterreichen und Dreiviertel selbst tragen. Als Argument für diese Annahme wird auf den geringen Preistransmission („pass through“) der Zölle nach den Zollerhöhungen gegenüber China während Trumps erster Amtszeit verwiesen.
Beide Parameter multipliziert (0,25 x 4) ergeben den Wert eins. Trumps Tableau zeigt also einfach die länderspezifischen Handelsbilanzdefizite gemessen als Anteil zu den länderspezifischen Importen.
Nach dieser Logik ist dieser Prozentsatz auch die Höhe des Zollsatzes, die das jeweilige Handelsbilanzdefizit auf null bringen würde. Die Großzügigkeit des US-Präsidenten zeigt sich nun darin, dass er nur einen halb so hohen Sonderzollsatz („reciprocal tariff“) fordert, der die Defizite jeweils halbieren würde.
Interessant ist auch folgende Rechnung:
- Die US-Importe belaufen sich auf etwa 12 % gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Sollten die Zölle insgesamt im Durchschnitt um beispielsweise 20 % angehoben werden, dann errechnet sich ein Preiseffekt von 12 % x 0,25 x 20 % = 0,6 %. Ein zusätzlicher einmaliger Anstieg der Preise um 0,6 Prozentpunkte wäre wohl verkraftbar.
- Bei einem zusätzlichen Zoll von 40 % und einer Preistransmission von 50 % statt 25 % ergibt sich bereits ein vierfach höherer Effekt auf die Preise. Die zusätzliche Inflation läge bei 2,4 Prozentpunkten.
Brent Neiman, einer der Autoren der Studie über den „Pass-Through“ bei chinesischen Importen (Cavallo 2021), sieht seine Ergebnisse falsch zitiert, die Preistransmission läge eher bei 95 % als bei 25 %.
Zudem beachtet die Überschlagsrechnung nicht, dass inländische Produzenten, die nun durch die zusätzlichen Zölle vor Konkurrenz geschützt sind, ihre Produktpreise wohl ebenfalls anheben werden.
Der tatsächliche Inflationseffekt dürfte also deutlich höher also 0,6 Prozentpunkte sein. Der zu erwartende Inflationsanstieg ist ein guter Grund für die US-Notenbank, abzuwarten und die Zinsen nicht zeitnah im Vorgriff auf die zu erwartenden konjunkturbremsenden Effekte zu senken.
Fazit
Außenhandel ist kein Nullsummenspiel. Im Gegenteil: Die USA profitieren bislang stark von der Globalisierung. Das Defizit ist ein Problem, aber die USA werden vom Rest der Welt nicht ausgenutzt.
Das Problem ist, dass sich die USA insgesamt gegenüber dem Rest der Welt zunehmend verschuldet. Die wachsende Verschuldung spiegelt sich aber in der Leistungsbilanz und nicht in der Handelsbilanz wider.
Die von Trump bemängelte Deindustrialisierung der USA ist Teil ihrer Erfolgsgeschichte, da sich die USA auf hochproduktive Bereiche spezialisiert haben. Die Deindustrialisierung wäre ein Problem, wenn es hohe strukturell bedingte Arbeitslosigkeit gäbe. Aktuell gibt es aber mehr offene Stellen als Arbeitslose.
Durch die Zölle werden die Preise in den USA steigen, in der Summe werden Arbeitsplätze verloren gehen.
Das Handelsbilanzdefizit wird sinken – und zwar umso deutlicher, je stärker die Konjunktur sich in den USA abkühlt. Die direkte Wirkung der Zölle kann dagegen vernachlässigt werden. Dazu müsste zusätzliche Produktion im Inland entstehen, die die Importe ersetzt. Dafür bräuchten die Investoren langfristiges Vertrauen, doch genau dieses Vertrauen fehlt nun durch Trumps handelspolitischen Isolationismus.
Quellen
- Cavallo, Alberto; Gita Gopinath, Brent Neiman, Jenny Tang (2021): Tariff Pass-Through at the Border and at the Store: Evidence from US Trade Policy. American Economic Review: Insights, vol. 3, no. 1 (pp. 19–34).
- Reciprocal Tariff Calculations | United States Trade Representative (https://ustr.gov/issue-areas/reciprocal-tariff-calculations).
- Former Biden official rips Trump for using his data on tariffs and being ‚wrong‘ | Fox Business (https://www.foxbusiness.com/media/ex-biden-treasury-official-rips-trump-admin-citing-data-tariffs-says-white-house-got-wrong).
Whitepaper: Investieren in Dividendenaktien
Anleger sollten bei der Auswahl ihrer Dividendenaktien nicht nur auf die Dividendenrendite achten. Denn diese wird oft auf Basis der zuletzt gezahlten Dividende angegeben, steht aber im Verhältnis zum derzeitigen Aktienkurs. Erfahren Sie mehr in unserem kostenlosen Whitepaper.
Wichtige Hinweise:
Die in der Rubrik zur Verfügung gestellten Informationen erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Informationen im Rahmen von Finanzanlagen unterliegen aber stetiger Veränderungen und wechselnder Einschätzungen. Eine Haftung wird ausgeschlossen.
Sofern in den Darstellungen Charts verwendet werden, beziehen sich diese auf den dort angegebenen vergangenen Zeitraum, die angegebene Währung und es ist angegeben, ob es sich um eine Betrachtung vor oder nach Kosten handelt. Eine Kurs- oder Wertentwicklungen in der Vergangenheit ist kein verlässlichen Indikator für zukünftige Ergebnisse. Jede Finanzanlage hat bestimmte Risiken, bitte beachten Sie die Risikohinweise.
Die Plutos Vermögensverwaltung AG ist ein kommerzieller Anbieter, die Ausführungen können daher auch werbliche und bezahlte Elemente beinhalten. Die Informationen stellen keine Anlageberatung oder Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar, sondern sind eine Momentaufnahme der Finanzmärkte. Wir empfehlen grundsätzlich vor jeder Entscheidung die Beratung durch Ihre Bank oder einen unabhängigen Vermögensverwalter. Die Plutos Vermögensverwaltung AG erhält, sofern nicht anders angegeben, keine besondere Vergütung für die veröffentlichten Beiträge. Sofern sie aber Funktionen im Rahmen einer dargestellten Finanzanlage wahrnimmt, kann sie hierfür eine Vergütung erhalten.
Zur weiteren Information beachten Sie bitte die rechtlichen Hinweise.